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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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die Unterlagen unter den Arm geklemmt. Ob man es will oder nicht, ob man hier lebt oder nicht, es ist immer wieder das gleiche Entzücken. Die bedeutendste katholische Basilika, die Säulen Berninis, der helle, leuchtende Platz, die Tauben, die an den steinernen Brunnen auf Touristen warten … Selbst der reine Himmel schien an dieser Erhabenheit teilzuhaben.
       Ich lachte. Ich war zurück im Schoß der Kirche! In der Welt der Seidensoutanen und der lackierten Mokassins unter den Roben. In der Welt der Kurie, der päpstlichen Kongresse, der eucharistischen Seminare. Der Welt des Glaubens und der Theologie, aber auch der Macht und des Geldes.
       Ich hatte drei Jahre im Schatten der Stadt des Papsts gewohnt. Ich lebte damals mittellos und kärglich – ganz nach dem Gelübde der Armut – und nahm keinen einzigen Franc von meinen Eltern an. Dennoch gefiel es mir, nur einige Straßen entfernt die finanzielle Macht des Vatikans zu spüren. Der Heilige Stuhl erschien mir immer als ein kirchliches Monaco – ein Monaco ohne Eitelkeit und Intrigen. Ein unglaublicher Fundus an Reichtümern, in dem Vermögenswerte und Urkunden aus Jahrhunderten lagerten. Der Vatikan, der größte Grundbesitzer der Welt, dessen Bank ein Anlagevermögen von über einer Milliarde Dollar und einen Jahresgewinn von mehr als hundert Millionen Dollar auswies.
       Diese Zahlen hätten mich, den Apostel der Not und Barmherzigkeit, anwidern müssen, aber ich sah darin ein Zeichen für die Macht der Kirche. Unsere Macht. In einer Welt, in der nur das Geld zählte, in einem Europa, in dem der katholische Glaube in den letzten Zügen lag, beruhigten mich diese Zahlen. Sie bewiesen, dass man weiterhin mit dem katholischen Reich rechnen musste.
       Ich ging die Reihe der Touristen entlang, die vor dem Petersdom anstanden. Auf dem Platz waren Podeste und Sitzreihen aufgebaut worden. Für den kommenden Tag, den 1. November, war zweifellos eine öffentliche Ansprache des Papsts geplant.
       Die Glocken begannen zu läuten, worauf die Tauben aufstoben. 8 Uhr. Ich beschleunigte meinen Schritt und ging unter Berninis Säulen hindurch. Ich eilte die Via di Porta Angelica hinauf und begegnete scrittori (Sekretären) und minutanti (Redakteuren) der Kurie, die in schwarzen Jacketts und weißen Kragen in ihre Büros eilten. Auf die Frage »Wie viele Menschen arbeiten im Vatikan?« hatte Papst Johannes XXIII. eines Tages geantwortet: »Nicht mehr als ein Drittel.« Ich war gut gelaunt. In diesem katholischen Ameisenhaufen lebte ich auf. Die schauderhafte Begegnung mit Agostina war weit weg, und ich hatte fast vergessen, dass mir zwei Killer auf den Fersen waren.
       An der Angelica-Pforte zeigte ich den Schweizergarden meinen Pass. Man gab mir sofort einen Passierschein. Die Garden im Renaissance-Kostüm traten beiseite, und ich durchschritt das hohe schmiedeeiserne Gitter.
       Ich setzte den Fuß in das Allerheiligste.
       Ein Diakon führte mich im Eilschritt durch das Labyrinth der Gebäude und Gärten. Es war 8.05 Uhr, und meine Verspätung passte nicht in die große klerikale Ordnung. Man ließ mich in einem Hof warten, in dem alte Tonkrüge standen, an einer Seite eine rosafarbenen und gelbe Wand. Rasenbeete säumten ein kreisförmiges Becken. Wasserstrahlen wirbelten umher und versprühten einen feinen irisierenden Dunst. Mit Blumen und tropischen Pflanzen bepflanzte Beete befanden sich gegenüber von zwei Wegen, die zu geheimnisvollen kleinen Türen führten. Das ganze Dekor roch nach Sonne und Terrakotta.
       Ich brauchte nicht lange zu warten. Ein Mann im schwarzen Anzug trat aus einer der Türen heraus und ging den linken Aufgang hinunter, wobei er über das Geländer zu rutschen schien. Er war um die vierzig, hatte einen von aschrotem Haar gesäumten Kopf und trug eine feine Hornbrille. Die ganze Erscheinung fügte sich harmonisch in den hellen Ocker der Krüge und Brunnenschalen ein.
       »Ich bin Präfekt Rutherford«, sagte er in perfektem Französisch. »Ich bin der Leiter der Apostolischen Bibliothek des Vatikans.«
       Er drückte mir herzlich die Hand.
       »Man kann nicht sagen, dass Ihr Besuch wie gerufen kommt«, fügte er in heiterem Ton hinzu. »Morgen wird der Pontifex maximus auf dem Petersplatz eine Ansprache halten. Und ein neuer Kardinal muss ernannt werden. Was für ein verrückter Tag!«
       »Es tut mir leid«, sagte ich mit einer Verbeugung. »Ich kann nichts dafür, dass es so eilig

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