Das Herz der Hoelle
Stuhls. Kardinal Van Dieterling wird Sie vielleicht empfangen.« Er schob mir das Blatt hin. »Hier ist seine Adresse.«
»Ist er Exorzist?«
Corsi schüttelte seinen Bulldoggenkopf. Er lächelte offen im Halbdunkel:
»Ein Exorzist? Dieses Mal sind Sie im Mittelalter.«
KAPITEL 63
Draußen war es jetzt stockfinster.
Ein unglaubliches Phänomen – die Asche wirbelte durch die Luft und zeichnete großräumige Muster, die sich sogleich wieder verflüchtigten. Der Duomo, die Kathedrale von Catania, die ganz in der Nähe lag, war kaum zu sehen. Die Einwohner von Catania hatten ihre Regenschirme aufgespannt, die Autofahrer betätigten ihre Scheibenwischer – aber noch immer nicht das geringste Anzeichen einer Panik.
Ich ging die Via Etnea hinauf und fand mein Auto gerade noch rechtzeitig, bevor es ganz unter Asche begraben war. Unwillkürlich sah ich zur Avenue hinauf. Auf dem Gehsteig gegenüber, etwa fünfzig Meter entfernt, weckte eine Gestalt, die durch die Asche in der Luft unscharf wurde, eine Erinnerung. Ein hochgewachsener Mann in einem eng anliegenden langen Ledermantel. Sein Gesicht erkannte ich nicht, aber seine Glatze stach durch ihre Blässe hervor. Plötzlich wurde mir klar, dass es einer der beiden Killer aus den Alpen war. Ich hatte seine Gestalt auf der verschneiten Baustelle gesehen – derselbe Mantel, die gleiche Schlankheit und die gleiche steife Haltung.
Ohne nachzudenken, überquerte ich die breite Straße im Aschenhagel. Die Körner drangen mir in die Augen, die Nasenlöcher und den Mund. Ich fühlte mich stark. Die Menge war mit mir, der Sturm war mit mir. Der Killer hatte keine Handlungsfreiheit. Außerdem steckte mir die Demütigung der Verfolgungsjagd zwei Tage zuvor noch immer in den Knochen und erfüllte mich mit einem vagen Wunsch nach Rache. Ich sah mich wieder, gegen die Bausteine gepresst, wie ein Tier in einer Falle. Ich hatte noch eine Rechnung offen. Eine Rechnung gegen mich.
Der Mann wich zurück und machte dann kehrt. Ich ging schneller. Ich wich den Schirmen, den Besen und den Rußböen aus. Ich schlängelte mich zwischen den Passanten durch, lief mit kurzen Schritten und stellte mich auf die Zehenspitzen, um meine Beute auszumachen.
Der Aschenregen hörte nicht auf. Fassaden, Auslagen, Gehsteige: Noch der kleinste Winkel der Avenue war gesprenkelt wie ein grobkörniges Foto in einer Zeitung. Unmerklich schien alles unter meinen Augen zu entschwinden und sich aufzulösen.
Der Schatten war verschwunden. Ich beschirmte meine Augen mit beiden Händen. Niemand. Ich lief aufs Geratewohl los, wobei ich immer mehr Vulkanasche schluckte. Heiße Luft, die die Atemwege versengte und die Lungen blähte. Rechts eine Gasse. Instinktiv ging ich hinein – wobei mir irgendwie im Hinterkopf dämmerte, dass ich mich von der Menge entfernte und keine Waffe bei mir hatte.
Fünfzig Meter, um zu bemerken, dass ich mich in einer Sackgasse befand. Hundert Meter, um zu kapieren, dass ich in eine Falle ging. Kein Mensch in der Gasse, kein Händler in Sicht. Mülleimer und Autos, die als Zeugen abgestellt waren. Ich blieb stehen.
Während ich zurückwich, trat der Killer aus einem Vorbau heraus. Die Schöße seines Ledermantels bildeten zwei schräge Linien zum Boden. Ich machte kehrt. Auf der anderen Seite versperrte mir der zweite Killer den Weg. So breit und so groß, dass seine ausgebreiteten Arme die Hauswände der Sackgasse zu berühren schienen. Er trug den gleichen schwarzen Mantel, aber in der Größe eines Fallschirms. Weder der eine noch der andere hatte ein Gesicht. Nur eine graue, staubbedeckte Maske. Ich dachte an lebendige Töpfererde, von Maden wimmelnde Fratzen. Und tief, tief in meinem Hinterkopf sagte ich mir: »Ich kenne diese beiden Männer. Ich habe sie schon irgendwo anders gesehen.«
Ich drehte mich abermals um. In der behandschuhten Hand des glatzköpfigen Killers zeichnete sich eine Automatik ab, halb Stahl, halb Inox, mit einem Schalldämpfer versehen. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, drückte der Mann auf den Abzug. Nichts geschah. Kein Mündungsfeuer, keine Detonation, kein Verschluss, der betätigt wurde. NICHTS.
Die Asche. Sie hatte die Pistole blockiert! Ich drehte mich um und schlug mit beiden Fäusten blindlings zu. Der Fettwanst hatte ebenfalls eine Waffe gezogen. Unter der Wucht des Schlags ließ er sie fallen. Ich brachte ihn durch einen weiteren Schlag gegen die Schulter
Weitere Kostenlose Bücher