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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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dann.«
       »Als er wieder zu sich kam, war er verändert.«
       »In welchem Sinne?«
       »Aggressiv, verschlossen, gewalttätig. Vor dem Unfall war er ein harmloser Bassist. Er spielte in einer satanistischen Nu-Metal-Band, Dark Age, und …«
       Ich hörte nicht mehr hin, verblüfft über die Gemeinsamkeiten mit dem Fall Agostina. Wie Agostina hatte auch der Este einen Mordversuch überlebt. Wie sie war auch er in ein Koma gefallen. Wie sie war er wieder zum Leben erwacht und hatte sich an demjenigen gerächt, der ihn umzubringen versucht hatte. Es war nicht nur dieselbe Vorgehensweise. Es war das gleiche Verbrechen von A bis Z. War auch er »durch den Teufel geheilt worden«?
       Ich bedankte mich bei Foucault und bat ihn, mir per E-Mail den Bericht zuzuschicken, sobald er ihn erhielt. Ich verzichtete darauf, ihn über die anderen Aspekte der Ermittlungen auszufragen – ich hatte genug für heute Abend.
       Ich schaltete mein Handy aus.
       Es war wie die Klappe zu einem neuen Dreh.
       Ich ermittelte über eine Serie.
       Aber keine Serie von Morden, sondern von Mördern.

KAPITEL 65
    Es war kein Schwimmbad, sondern ein großes Becken im Freien. Es war rechteckig und von Beton eingefasst. Ich stand auf dem Hügel oberhalb des Beckens und spürte, wie das Gras meine Knöchel peitschte. Wie immer in Träumen passten die Einzelheiten nicht zusammen. So war ich der fünfunddreißigjährige Mathieu im weichen Regenmantel, mit einer Neun-Millimeter im Gürtel, aber zugleich war ich ein Kind in kurzen Hosen, dessen Füße in Plastiksandaletten steckten und das ein Frottiertuch über der Schulter trug.
       Der Gedanke, in dieses Becken einzutauchen, erregte mich, aber ich empfand auch ein Unbehagen. Die Farbe des Wassers – Bronze oder Stahlgrau – signalisierte Kälte und Lähmung. Die Badenden waren ausnahmslos Kinder – zierliche, empfindliche, kranke Kinder. Ihre weißen Körper glänzten in der Sonne. Eine Bedrohung schwebte über diesem Bild. Ich stieg den Hang hinunter, angezogen von der Wasserfläche, die sich in einen riesigen Magneten verwandelt hatte.
       In diesem Augenblick bemerkte ich, dass alle Handtücher, die auf der Betoneinfassung herumlagen, orange waren. Das war ein Signal. Ein Gefahrensignal. Vielleicht große Kompressen, mit antiseptischer Lösung getränkt. Ich vernahm jetzt das Lachen der Kinder, das Rauschen des Wassers. Alles war fröhlich, lebendig – und doch waren diese Geräusche wie ein Funkeln unter meiner Haut, Alarmsignale. Ich allein kannte die Wahrheit. Ich allein gewahrte den umherstreifenden Tod …
       In diesem Moment wandte ich den Kopf. Auch das Handtuch um meine Schultern war orange. Die Krankheit hatte mich bereits befallen. Alles stand geschrieben. Mein Tod, mein Leiden, mein …
       Das Klingeln des Telefons riss mich aus dem Schluchzen heraus.
       »Hallo?«
       »Gian-Maria. Hast du geschlafen?«
       »Sozusagen …«
       »Es ist 7 Uhr«, sagte der Priester lachend. »Du hast wohl unsere Arbeitszeiten vergessen!«
       Ich stand auf und fuhr mir durchs Haar. Ich hatte einen sehr alten Traum geträumt – einen Traum, der mich seit meiner Jugend begleitete. Weshalb war er ausgerechnet jetzt zurückgekehrt?
       »Steh auf, aber dalli«, sagte der Kirchenmann. »Du bist in einer Stunde verabredet.«
       »Mit dem Kardinal?«
       »Nein, mit dem Präfekt der Vatikan-Bibliothek.«
       »Aber …«
       »Der Präfekt ist ein Mittelsmann. Er wird dich zum Kardinal begleiten.«
       »Ein Präfekt als Vermittler?«
       Ein Präfekt im Vatikan hat den gleichen Rang wie ein Minister in einer weltlichen Regierung. Gian-Maria lachte wieder:
       »Du hast es selbst gesagt: Es ist ein wichtiger Fall. So schnell wie die reagiert haben, muss es verdammt wichtig sein. Der Kardinal bittet dich darum, deine Ermittlungsunterlagen mitzubringen, und zwar vollständig. Der Präfekt erwartet dich in den Gärten der Bibliothek. Er heißt Rutherford. Geh durch die Angelica-Pforte. Ein Diakon wird dich begleiten. Viel Glück. Und vergiss die Unterlagen nicht!«
       Ich bereitete mich vor und nahm mir dann ein paar Sekunden Zeit, um im Speiseraum der Pension einen Kaffee zu trinken. Wasserkannen aus Edelstahl, Pyrex-Gläser, große bestrichene Brotscheiben. Jedes Detail, jeder Kontakt erinnerte mich an das Seminar. Doch in diesem fensterlosen Raum roch ich die Luft Roms.
       Ich eilte zu Fuß zum Petersplatz,

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