Das Herz der Hoelle
Rihiimäki etwas?«
»Selbstverständlich.«
»Ein Lichtloser?«
»Er hat eine negative Nahtod-Erfahrung gehabt, das ist sicher. Raimo hat sich einem Psychiater anvertraut. Er hat seine Vision geschildert. Dieses Erlebnis verwandelte ihn in eine Mordmaschine.«
»Agostina und Raimo sind mithin voll und ganz für die Verbrechen verantwortlich, deren sie bezichtigt werden?«
»Mathieu, Sie gehen gleich aufs Ganze. Warten Sie doch bitte, bis wir in Krakau sind. Wir …«
»Sind diese durch ein Wunder geheilten Personen Mörder, ja oder nein? Sind sie in der Lage gewesen, Säuren zu verwenden, Insekten unter die Haut einzupflanzen, Flechten in den Brustkorb ihrer Opfer einzubringen, bei ihren Morden, Tausende Kilometer voneinander entfernt, exakt auf die gleiche Weise vorzugehen?«
Zamorski hielt ein Glas Champagner, an dem Wasser herabperlte, in der Hand. Er trank einen Schluck und räumte dann ein:
»Im Lauf der Jahre hat sich unsere Gruppe eine Meinung gebildet.«
»Welche?«
»Neben der negativen Erfahrung könnte noch ein weiterer Faktor ins Spiel kommen. Ein besonderer Umstand.«
»Ich höre.«
»Ein Dritter, der mit diesen … ›geoffenbarten‹ Mördern in Verbindung tritt und ihnen hilft.«
Zamorski äußerte die Hypothese, die ich von Anfang an in Betracht gezogen hatte, ohne sie weiterzudenken. Ein Komplize der Lichtlosen. Ein Drahtzieher aus Fleisch und Blut. Derjenige, der in die Baumrinde ›Ich beschütze die Lichtlosen‹ geritzt hatte …
»Sie halten es für möglich, dass ihnen ein Fremder bei den Morden hilft?«
»Sie jedenfalls dazu anstiftet.«
»Ein Mensch, der sich für den Teufel hält?«
»Der glaubt, im Namen des Teufels zu handeln, ja.«
»Haben Sie Beweise für diese Hypothese?«
»Nur Übereinstimmungen. Zunächst einmal die Vorgehensweise. Die Lichtlosen haben noch nie zuvor diese Methode angewandt. Es ist gut möglich, dass ein Mensch, der sich vollkommen im Hintergrund hält, ihnen heute diese Technik vorschreibt.«
Van Dieterling hatte von einer »grundlegenden Wandlung« gesprochen, von einer Prophezeiung, die es durch die Wiederholung dieser Ritualmorde zu entschlüsseln gelte. Mein Instinkt als Polizist ließ mich der Version Zamorskis zuneigen, die viel handfester war: das Eingreifen eines Dritten, sozusagen eines Verbündeten des Fürsten der Finsternis.
Er fuhr fort:
»Schließlich die Zunahme der Fälle. Im Lauf der Jahrhunderte gab es nur sehr wenige Lichtlose. Und dann, urplötzlich, haben wir in vier Jahren drei Fälle: 1999, 2000, 2002 … Und zweifellos gibt es noch weitere. Wie erklärt sich diese Beschleunigung? Möglicherweise hat ein Mensch diese Serie gefördert. Ein Verbrecher, der die Taten nicht selbst begangen, aber diese traumatisierten Menschen angestiftet hat. Eine Art Gesandter des Teufels, der sie zur Tat verleitet.«
Meine Mutmaßungen, die bislang keine Grundlage hatten, fanden bei dem Nuntius ein konkretes Echo. Dieser nächtliche Flug ermunterte mich wie ein Freudenfeuer. Es war Zeit, die ungelösten Fragen zu beantworten, die Zamorski direkt betrafen:
»Vor fünfzehn Tagen habe ich Sie in der Kapelle Sainte-Bernadette gesehen. Dort fand eine Messe zu Ehren eines Polizisten statt, der im Koma liegt.«
»Luc Soubeyras. Ich kenne ihn gut. Er war auf der gleichen Spur wie Sie. Oder, um genauer zu sein: Sie sind auf der gleichen Spur wie er.«
»Er hat versucht, Selbstmord zu begehen. Wissen Sie, warum?«
»Luc war zu exaltiert. Mit seinen Nerven am Ende. Diese Ermittlungen haben ihm den Verstand geraubt.«
»Ist das alles?«
»In dieser Sache muss man bereit sein, gewisse Grenzen zu überschreiten und sich auf unbekanntes Terrain vorzuwagen. Aber man muss vor allem in der Lage sein, wieder zurückzukommen! Luc war trotz seiner Leidenschaft nicht stark genug.«
Ich antwortete nicht. Ich dachte an die satanistischen Gegenstände, die Laure gefunden hatte. Hatte Luc die rote Linie überschritten? Ich kam auf Zamorski und sein Gespräch mit Doudou in der Kapelle zurück. Ich erwähnte das Kästchen, das er entgegengenommen hatte. Den Federkasten aus dunklem Holz.
»Die Ermittlungsakte von Luc«, antwortete der Pole. »Vollständig digitalisiert auf USB-Stick. Luc hatte mir mitgeteilt, dass mir sein Stellvertreter seine Unterlagen überreichen würde,
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