Das Herz der Hoelle
trinken?«
Zamorski griff bereits mit der Hand in das zerstoßene Eis. Mit einer Geste lehnte ich ab. Dagegen hatte ich große Lust auf eine Zigarette. Mein Gastgeber erriet wieder einmal meine Gedanken:
»Sie können rauchen. Das ist einer der Vorteile dieser Privatflüge: Wir sind unter uns.«
Ich zündete mir eine Camel an und spürte, wie mein Argwohn angesichts dieser ausgesprochen zuvorkommenden Behandlung zurückkehrte. Wer war dieser Kleriker wirklich, der sich hinter seinen höflichen Umgangsformen versteckte? Was führte er im Schilde? Wo genau brachte er mich hin? Vielleicht ging ich in eine Falle, deren Köder Manon hieß. Nach einem langen Zug forderte ich ihn auf:
»Erzählen Sie mir von Manon.«
»Was möchten Sie wissen?«
»Wie haben Sie von ihrem Fall erfahren?«
»Auf denkbar einfachste Weise. Durch den Pfarrer ihrer Pfarrei, Pater Mariotte. Nach dem Mordversuch 1988 hat er sich dem für Exorzismus zuständigen Priester in Besançon anvertraut. Die Information wurde mir zugetragen. Unsere Netzwerke sind eng miteinander verflochten.«
»Wussten Sie damals, dass Manon am Leben war?«
»Kurze Nachforschungen haben dies ergeben, ja. Von da an hatten wir immer ein Auge auf sie.«
»Glaubten Sie, dass sie besessen war?«
»Sagen wir es so: Es gab eine starke Vermutung.«
»Wieso?«
»Wir haben vor dem Mord mehrere Personen zu ihrem Verhalten befragt. Außerdem gab es die Tatverdächtigen in dieser Sache: Cazeviel, Moraz, Longhini. Sie standen bereits auf unseren Listen. Dieser Fall roch förmlich nach Satanismus.«
»Und dann?«
Zamorski zuckte mit den Achseln:
»Die Kleine ist vollkommen unauffällig herangewachsen. Nicht das geringste Anzeichen dafür, dass sie von einem Dämon besessen wäre.«
»Sie wurde von Psychologen behandelt.«
»Das hat nichts mit dem Teufel zu tun. Diese ganze Geschichte hatte sie schlichtweg traumatisiert, was durchaus verständlich ist.«
Ich wollte nicht länger um den heißen Brei herumreden:
»Glauben Sie, dass sie ihre Mutter getötet hat?«
»Nein.«
»Wieso sind Sie sich da so sicher?«
»Sie wohnt seit drei Monaten in unserem Kloster. Sie ist unschuldig. Niemand könnte sich derart verstellen. Sie ist ein wahrer … Quell des Lichts.«
Auch Agostina Gedda war ein Quell des Lichts gewesen, um sich zu guter Letzt in ein Monster zu verwandeln. Aber ich wollte Zamorski nur zu gern glauben.
»Sie hat also Ihres Erachtens während ihres Komas keine negativen Erlebnisse gehabt?«
»Manon hat keinerlei Erinnerung an diesen Zeitraum. Doch was immer sie während ihrer Bewusstlosigkeit erlebt haben mag, es hat jedenfalls keinen Einfluss auf ihre heutige Persönlichkeit.«
Ich nickte, doch ich dachte an die Warnungen, die man mir in Catania in Bezug auf Agostina mit auf den Weg gegeben hatte. An die Mahnungen van Dieterlings. An die Anweisungen im Rituale Romanum: » Zahllos sind die Listen und Tücken, die der Teufel benutzt, um die Menschen in die Irre zu führen … « Wem konnte man unter diesen Umständen noch glauben?
Ich wechselte zu allgemeinen Fragen:
»Glauben Sie, nach bestem Wissen und Gewissen, dass es die Lichtlosen tatsächlich gibt? Ich meine Mörder, die ihre Taten unter dem Einfluss des Teufels begehen.«
»Es gibt negative Erfahrungen. Sie können traumatisierend sein.«
»So sehr, dass sie denjenigen, der sie durchmacht, in eine aggressive Person, einen Mörder verwandeln?«
»In gewissen Fällen, ja.«
»Aber glauben Sie wirklich, dass der Teufel hinter alldem steckt? Ich meine, eine reale geistige Kraft des Bösen? Eine Kraft, die den Menschen korrumpiert?«
Zamorski lächelte. Die Kabinenbeleuchtung war gedämpft worden. Die Ledersessel schimmerten matt im Licht der Deckenlampen. Von Zeit zu Zeit, wenn sich die dicke Wolkensuppe etwas lichtete, beleuchteten die Positionslampen am Ende der Tragflächen unsere Profile.
»Wir studieren diese Phänomene seit Jahren. Warten Sie, bis wir in Krakau sind, dann werden Sie unseren Standpunkt besser verstehen.«
»Dann kommen wir auf die konkreten Fälle zurück. Ist Agostina Gedda wirklich vom Teufel besessen?«
»Laut Aussage van Dieterlings steht das außer Zweifel. Und nach dem, was ich weiß, passt alles zusammen.«
»Sagt Ihnen der Name Raimo
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