Das Herz der Hoelle
wäre ich selbst darauf gekommen.«
»Das war der Gratisteil unseres Deals. Um Sie davon zu überzeugen, dass wir nicht mit leeren Händen dastehen.«
»Haben Sie noch etwas anderes zu bieten?«
»Etwas Unwiderstehliches!«
»Was?«
»Manon Simonis.«
»Sie wissen, wo sie sich aufhält?«
»Wir haben sie in unserer Obhut.«
Die Nachricht verschlug mir den Atem. Ich stammelte:
»Wo?«
Zamorski griff nach meinem Regenmantel und versetzte:
»Sie leiden nicht unter Flugangst, oder?«
KAPITEL 83
Mitten in der Nacht glich der Flughafen Le Bourget dem, was er inzwischen eigentlich war: ein Freilichtmuseum. Ein Louvre der Luftfahrt, dessen Skulpturen Mirages, Boeings und Ariane-Raketen waren. In der regnerischen Finsternis erahnte man die Flugzeuge unter Planen, die Hangars mit den Flugmaschinen, die glänzenden Rümpfe und die mit Kokarden bemalten Flügel …
Der schwarze Mercedes von Andrzej Zamorski glitt über die triefendnasse Allee. Ich bewunderte noch einmal die luxuriöse Ausstattung des Fahrgastraums: Rauchglasscheiben, Ledersitze, gepolsterte Decke, mit Rosenholzleisten verzierte Wagentüren.
»Mein kleines Land ist nicht mittellos«, merkte der Gesandte des Vatikans an. »Man stellt mir die nötigen Mittel zur Verfügung, wenn man mich in Feindesland schickt.«
»Frankreich ist Feindesland?«
»Ich war nur auf der Durchreise. Kommen Sie. Wir sind da.«
Der Wagen hielt vor einem Gebäude mit beleuchtetem Erdgeschoss. Ich holte meine Tasche aus dem Kofferraum – Zamorski war damit einverstanden gewesen, dass wir bei meiner Wohnung vorbeifuhren, damit ich ein paar Sachen und vor allem meine berühmte Ermittlungsakte mitnehmen konnte.
In dem Saal lasen zwei Piloten ihren Flugplan, Stewards, die aussahen wie Leibwächter, boten uns Champagner, Kaffee und Appetithäppchen an. Um 1 Uhr nachts bemühten sie sich, frisch wie Blumen auszusehen.
Eine Falcon 50 EX glitt über das leere Rollfeld und durchbohrte mit ihren Scheinwerfern die Nacht. Vor den Scheiben stehend, dachte ich nach. Ein Kleriker, der mitten in der Nacht einen Privatjet chartern kann: Zamorski war wahrlich kein gewöhnlicher Kirchenmann. Aber ich wunderte mich über nichts mehr. Ich ließ mich von den Ereignissen tragen, während ich den Widerschein der Scheinwerfer auf der regennassen Piste betrachtete.
»Kommen Sie. Der Pilot wird ungeduldig.«
»Gibt es keine Passkontrolle?«
»Diplomatenpass, mein Lieber.«
»Wohin fliegen wir?«
»Das verrate ich Ihnen während des Flugs.«
Gegen meinen Willen protestierte ich:
»Ich werde keinen Fuß an Bord setzen, wenn ich nicht weiß, wohin wir fliegen.«
Der Pole griff nach meiner Reisetasche:
»Wir fliegen nach Krakau. Manon versteckt sich dort. In einem Kloster. An einem sehr sicheren Ort.«
Ich folgte dem Kleriker aufs Rollfeld. Sein schwarzer Anzug schimmerte genau so wie der feuchte Asphalt. Als ich seine Faust betrachtete, die den Henkel meiner Tasche umklammerte, sagte ich mir, dass eine automatische Waffe gut in dieser Hand liegen würde. Dann dachte ich an die Glock, die ich am Gürtel trug. Dieser heimliche Abflug hatte einen Vorteil: Niemand hatte mich durchsucht.
Die Kabine der Falcon beherbergte sechs Ledersessel mit Armlehnen und Tabletts aus lackiertem Mahagoni. Die winzigen Deckenleuchten funkelten wie Goldklumpen. Fruchtkörbe erwarteten uns neben Champagnerflaschen, die in eisgefüllten Kübeln steckten. Sechs Plätze, sechs Privilegien über den Wolken.
»Nehmen Sie Platz, wo Sie möchten.«
Ich entschied mich für den ersten Sitz links von mir. Die beiden Priester, die uns seit der polnischen Kirche begleiteten, nahmen hinter mir Platz. Zwei Hünen, die, abgesehen von ihren römischen Kragen, nichts von Klerikern hatten und die noch immer kein Wort gesagt hatten. Zamorski setzte sich mir gegenüber und schnallte sich an. Das Klicken war wie ein Signal, denn wenig später begannen die Motoren zu dröhnen.
Das Flugzeug startete, während mir alles noch immer wie ein merkwürdiger Traum vorkam. Durch das Seitenfenster betrachtete ich den Himmel. Zwischen silbernen Wolken leuchtete er dunkelblau. Ein Spiegel ohne Konturen und ohne Begrenzung, den wir mühelos durchquerten. Das war keine Nacht mehr, das war die Schattenseite der Welt.
»Möchten Sie etwas
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