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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Geschmack viel zu nah …
       Ich zog meine Glock. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Die Männer Zamorskis oder die Teufelssklaven. Ganz langsam entsicherte ich die Waffe, da mir die Satanisten als die wahrscheinlichere der beiden Varianten erschienen. Sie lauerten vor den Ein- und Ausgängen »ihres« Klosters, und sie hatten gerade das große Los gezogen: Manon, die Beute, hinter der sie seit Wochen her waren, ungeschützt, begleitet nur von einem Ausländer, der sich in einem nebelverhangenen Park verlaufen hatte.
       Meine Waffe zitterte in meiner hohlen Hand. Ich fand in mir nicht mehr den Gleichmut, der mich bislang in den gefährlichsten Situationen gerettet hatte. Vielleicht war es die Müdigkeit. Vielleicht die Gegenwart von Manon. Oder diese fremde, unsichtbare Stadt … Mein Gedanken überschlugen sich. Blindlings drauflosschießen in Richtung der Schritte? Doch ich war mir nicht einmal sicher, von wo genau die Geräusche kamen. Auf die Straßenlaternen zielen, damit es vollkommen dunkel würde? Absurd. Wir würden dann unsere einzigen Orientierungspunkte verlieren.
       Es knirschte wieder. Sie kamen näher. Ich stellte mir übernatürliche Geschöpfe mit glühenden Augen vor. Pupillen aus Schwefel, die im Nebel sehen können. Ich ging in die Richtung, die geradewegs von den Schritten wegzuführen schien. Aber schon hatte ich jede Sicherheit verloren. Befanden wir uns noch auf der Allee? Eine Leuchte schwebte in der Ferne – unzugänglich.
       Ich ging schneller. Ich versuchte mich nicht mehr auf meine Augen, sondern ausschließlich auf meine ausgestreckte Hand zu verlassen. Das Gefühl, einen kalten Stein zu berühren. Das Eisen eines Geländers. Ich erinnerte mich nicht an Schutzgeländer in diesem Park. Ich umfasste den Handlauf und folgte ihm in hektischer Anspannung. Die Straßenlaterne schien noch genauso weit weg zu sein.
       Die Eisenrampe hörte auf. Ich blieb ebenfalls stehen. In der nächsten Sekunde hörte ich die Schritte der anderen – sehr viel näher. Ich drehte mich um, als hätte ich irgendetwas sehen können. Dabei war alles noch immer in Nebel gehüllt. Doch plötzlich öffnete sich ein Spalt im Nebel – und ich konnte tatsächlich sehen.
       Schatten näherten sich, Seite an Seite.
       Gesichtslose Schatten, die mit dem Nebel verschmolzen.
       Mein Herz setzte aus. Ein sehr kurzer Augenblick, in dem mir alles verloren schien. Die Panik hatte mich besiegt. Genau in dieser Sekunde hätten uns unsere Angreifer überwältigen können, aber sie waren zu langsam.
       Ich hatte mich wieder gefasst und entwarf einen Angriffsplan. Es bestand kein Grund zu der Annahme, dass sie besser sahen als wir. Sie orientierten sich einfach am Geräusch unserer Schritte. Der einzige Vorteil, den sie vielleicht hatten, war ihre Zahl – und bessere Ortskenntnisse. Aber unser Handikap – die schlechte Sicht – hatten auch sie.
       Ich musste ihnen also ihren einzigen Orientierungspunkt nehmen: die Töne. Ich packte Manon und machte einen Satz zur Seite. Nach drei Schritten streifte ich an einem Strauch vorbei und spürte dann unter meinen Füßen einen weicheren Boden, der die Trittgeräusche absorbierte – Rasen oder Humus.
       Sogleich eine weitere Idee. Die Stille nutzen, um sich an unsere Feinde heranzuschleichen. Sie würden damit rechnen, dass wir uns auf den Seitenstreifen oder hinter einem Baum verstecken würden. Aber nicht, dass wir ihnen entgegenkamen!
       Ich ging den Rasen hinauf und benutzte meine freie Hand als eine Sonde, mit der ich über das Dickicht strich und die Baumstämme abtastete. Abermals Schritte, von links. Sie waren nur noch wenige Meter entfernt. Ich ging weiter. Meine Hand ertastete eine Baumrinde. Ich zog Manon an mich und stellte sie zwischen den Stamm und meinen Körper. Sie rührte sich nicht mehr, sie atmete nicht mehr, und ihre eiskalten Haare streiften mein Gesicht. Die Haare einer Toten.
       Da geschah etwas.
       Die Nebelwand riss auf, und in der Lücke waren unsere Feinde deutlich zu erkennen. Eine Sekunde lang, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, konnte ich sie sehen. Sie trugen schwarze Ledermäntel, die direkt von der Wehrmacht zu stammen schienen. Aus ihren Ärmeln ragten Haken, Klingen, Nadeln heraus. Blankwaffen, die in ihren Körper eingepflanzt zu sein schienen.
       Sie glichen Kriegsversehrten, die in eine andere Dimension eingetreten waren. Verwundete, die selbst zu Killermaschinen geworden waren. Ich stellte mir

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