Das Herz der Hoelle
verschwunden«, sagte er schnaufend.
»Und was sehen Sie stattdessen?«
»Einen Gang. Nur einen Gang. Schwarz. Kahl.«
»Ist jemand da drin?«
»Ein Mann.«
»Wie sieht er aus?«
Luc flüsterte sanftmütig:
»Es ist ein alter Mann.«
Zucca warf einen Blick zur Scheibe. Sein Gesicht verriet Erstaunen. Auch wir waren verblüfft. Jeder erwartete das übliche, stereotype Bild des Teufels: Hörner, Spitzbart, Gabelschwanz …
»Wie ist er gekleidet?«
»In Schwarz. Er trägt einen schwarzen Anzug. Er verschmilzt mit der Dunkelheit. Abgesehen von den Fäden.«
»Fäden?«
»Sie strahlen. Über seinem Kopf. Er hat phosphoreszierende, elektrische Haare.«
Das Unbehagen in der Kabine wuchs. Der Geruch nach Exkrementen, der von einem breiten, eisigen Luftzug getragen wurde, wurde immer stechender.
»Beschreiben Sie sein Gesicht.«
»Seine Haut ist bleich. Fahl. Er ist ein Albino.«
»Wie sieht sein Gesicht aus?«
»Eine Fratze. Sein Gesicht ist nur eine Fratze. Seine Lippen sind gespannt und enthüllen sein Zahnfleisch. Weißes Zahnfleisch. Seine Haut hat noch keine Sonne gesehen.«
Luc sprach jetzt ganz mechanisch. Er schilderte das, was er sah, in kühlem, sachlichem Ton.
»Seine Augen. Wie sind seine Augen?«
»Eiskalt. Grausam. Von Blut oder Glut gesäumt, ich weiß es nicht genau.«
»Was macht er? Steht er still?«
Luc verzog das Gesicht, das zu einem Spiegelbild des Eindringlings im Innern seiner Seele wurde.
»Er tanzt … Er tanzt in der Finsternis. Und seine Haare leuchten über seinem Kopf …«
»Seine Hände? Sehen Sie seine Hände?«
»Klauen. Nach innen gebogen über seinem Bauch. Sie gleichen seiner Fratze, seinem verzerrten Mund. Alles an ihm ist verkümmert.« Luc lächelte. »Aber er tanzt … Ja, er tanzt schweigend … Und es ist das Böse, das ihn umtreibt … Im Blut der Welt …«
»Spricht er mit Ihnen?«
Luc antwortete nicht. Er krümmte sich und reckte den Hals, als wollte er die Ohren spitzen. Er lauschte nicht Zucca, sondern dem alten Mann tief im Schlund.
»Was sagt er Ihnen? Wiederholen Sie das, was er Ihnen sagt.«
Luc stammelte ein paar unverständliche Worte. Zucca herrschte ihn an:
»Wiederholen Sie seine Worte. Das ist ein Befehl!«
Luc hob den Kopf, als würde ihn ein heftiger Schmerz durchbohren. Sein Gesicht zuckte krampfartig. Er krächzte:
» Dina hou be’ ovadâna. « Dann schrie er: »DINA HOU BE’ OVADÂNA!«
In der Kabine erstarrte alles. Der Gestank. Die Kälte. Niemand rührte sich mehr. Jeder spürte, dass ETWAS anwesend war.
»Was bedeutet das?«, hakte Zucca nach. »Dieser Satz: Was bedeutet er?«
Luc brach in ein irres, gedämpftes, unterdrücktes Lachen aus, das sich nur an ihn selbst zu richten schien. Dann fiel sein Kopf zurück, und er wurde ohnmächtig. Der Hypnotiseur rief ihn wieder an. Keine Reaktion. Die Sitzung war beendet – die »Vision« Lucs war mit diesen unverständlichen Worten abgebrochen.
Zucca berührte sein Headset.
»Er ist bewusstlos. Wir stöpseln alles ab und bringen ihn in den Aufwachraum.«
Ohne ein Wort gingen Thuillier und die Krankenschwestern ins Zimmer. Die anderen waren zunächst noch wie erstarrt. Es schien mir, als ließen der Geruch und die Kühle nach. An ihre Stelle trat ein Raunen. Man wechselte einige Worte, um sich gegenseitig zu beruhigen und eine gewisse Wärme zu teilen. Aber vor allem um schleunigst in die Wirklichkeit zurückzukehren.
Durch das Stimmengewirr hindurch vernahm ich ein diffuses Murmeln. Ich sah mich um. Mit starrem Blick, sein Rituale fest umklammernd, flüsterte der Priester: » … Deus et Pater Domini nostri Jesu Christi invoco nomen sanctum tuum et clementiam tuam supplex exposco … «
Mit kurzen Handbewegungen bespritzte er die Konsole und die Maschinen in der Kabine mit Wasser.
Weihwasser.
Der Exorzist tilgte die Spuren des Teufels.
KAPITEL 96
»Lächerlich.«
»Ich erzähl dir nur, was vorgefallen ist.«
»Ihr seid vielleicht Clowns.«
Manon schien erkältet zu sein, denn sie sprach durch die Nase. Ich hatte ihr geschildert, was sich im Hôtel-Dieu ereignet hatte. Sie saß mit nackten Füßen im Schneidersitz auf dem Bett. Sie hatte das Zimmer fein säuberlich aufgeräumt. Nicht einmal das
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