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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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eine Aussage unter Hypnose noch nie offiziell anerkannt worden. Nach französischem Gesetz muss ein Zeuge sich immer auf der Grundlage eines »freien und bewussten Willensentschlusses« äußern, womit sich der Rückgriff auf Methoden der Suggestion oder auf eine sogenannte »Wahrheitsdroge« verbot. Trotzdem war Corine Magnan zugegen, und ihr Protokollant ließ sich nicht das Geringste entgehen.
       Zucca murmelte – seine Stimme wurde über unsichtbare Lautsprecher in die Kabine übertragen:
       »Sie spüren diese Schwere überall in Ihrem Körper … Sie breitet sich in all Ihren Gliedmaßen, all Ihren Muskeln aus …«
       Luc schien in seinem Sessel zusammenzusinken. Seine von Sommersprossen überzogene Haut war fast durchsichtig – man glaubte seine Organe zucken zu sehen. Ich dachte an das Monster aus den Planty mit seinem sichtbaren Herzen und verjagte sogleich dieses Bild.
       »Die Schwere verwandelt sich in Licht … Das Licht überflutet Ihren Geist und Körper … Sie empfinden nichts anderes mehr … Die Schwere und das Licht füllen Sie vollständig aus …«
       Luc atmete langsam mit geschlossenen Augen. Er schien ruhig zu sein.
       »Das Licht ist blau. Sehen Sie es?«
       »Ja.«
       »Das blaue Licht ist eine Leinwand, auf der Sie Bilder, Erinnerungen aufsteigen lassen … Solange ich mit Ihnen spreche, werden die Bilder an Ihnen vorüberziehen. Einverstanden?«
       »Ja.«
       Der Psychiater ließ einige Sekunden verstreichen und fuhr dann fort:
       »Sehen Sie Bilder?«
       Luc antwortete nicht. Der Psychiater drehte sich zur Scheibe um und machte, an Thuillier gewandt, eine fragende Geste. Thuillier wandte sich seinerseits an die Krankenschwestern. Dann flüsterte der Neurologe in ein Mikrofon, das in die Konsole eingelassen war – Zucca trug ein Headset:
       »Wir sind so weit.«
       Der Psychiater nickte und hob dann den Kopf.
       »Luc, sind die Bilder da?«
       Luc nickte langsam.
       »Sie werden meiner Stimme folgen und diese Bilder beschreiben. Einverstanden?«
       Ein weiteres Nicken.
       »Was sehen Sie?«
       »Wasser.«
       »Wasser?«
       In der Kabine gab es verblüffte Blicke, dann hatte jeder verstanden.
       Der Fluss.
       Die Reise begann.

KAPITEL 95
    »Beschreiben Sie genauer, was Sie sehen.«
       »Ich stehe am Ufer des Flusses.«
       »Was machen Sie?«
       »Ich gehe hinein. Da ist das Gewicht.«
       »Was für ein Gewicht?«
       »Das Gewicht der Steine. An meinem Gürtel. Ich gehe ins Wasser.«
       Ich spürte, wie mir die Kälte des Wassers in die Knochen fuhr. Aber der Fanatismus Lucs erschütterte mich weit mehr. Ich sah ihn vor mir, in seinem Wagen, im Dezember 2000, nach dem fehlgeschlagenen Zugriff in Les Lilas, als er Johannes vom Kreuz zitierte: » Ich sterbe daran, nicht sterben zu können. « Luc hatte nur für diese Mission gelebt. Das höchste Opfer. Seine Begegnung mit dem Teufel.
       »Was empfinden Sie?«
       »Nichts.«
       »Wie das?«
       »Die Kälte löscht alles aus.«
       »Fahren Sie fort.«
       »Mein Körper löst sich im Fluss auf. Ich sterbe.«
       »Hören Sie mich, Luc. Beschreiben Sie die Szene.«
       Nach kurzem Schweigen murmelte Luc:
       »Ich … ich empfinde nichts mehr.«
       »Sprechen Sie lauter.«
       »Der Fluss kommt auf mich zu. Er reicht mir bis zum Mund. Ich …«
       Luc biss sich auf die Lippen, wie um das Wasser daran zu hindern, in seinen Rachen einzudringen. Erneutes Schweigen. In der Kabine stieg die Anspannung. Jeder von uns tauchte mit ihm unter Wasser.
       »Luc, sind Sie bei uns?«
       Schweigen.
       »Luc?«
       Er rührte sich nicht mehr. Unter den Kabeln verzog er das Gesicht zu einer Grimasse, die erstarrte wie Gips. Zucca wandte sich über sein Minimikrofon an Thuillier:
       »Bei wie viel sind wir?«
       Der Neurologe warf einen Blick auf den Physiogard, der wie das Sonar eines U-Boots piepste.
       »Achtunddreißig. Wenn der Herzschlag nicht ansteigt, brechen wir ab.«
       Zucca unternahm einen erneuten Versuch:
       »Luc, antworten Sie mir!«
       Thuillier beugte sich über das Mikrofon in der Konsole:
       »Wir sind bei zweiunddreißig. Abbrechen. Wir … Verdammt!«
       Der Neurologe stürzte zur Tür und rannte ins Zimmer. Alle Blicke wandten sich dem Kontrollbildschirm zu – dort war nur noch eine flache Linie zu sehen, die von einem

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