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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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fragt ihn nach seiner Arbeit, seinem Studium, seinem Einkommen. Der Black macht ’ne gute Figur. Dem Vater fällt nix mehr ein. Schließlich sagt er: ›Ich will, dass meine Tochter im Bett glücklich ist! Ich gebe sie nur einem Mann, der dreißig Zentimeter hat!‹ Der Schwarze antwortet lächelnd: ›Kein Problem, Chef. Wenn Mamadou liebt, Mamadou macht kürzer.‹«
       Claude lachte schallend und reichte den Joint an seinen Nachbarn weiter. Ich setzte ein Lächeln auf und trank einen Schluck Whisky. Ich hatte den Witz schon mindestens zehnmal gehört. Vor Freude schlug mir Claude auf die Schulter, dann klappte er sein Handy auf: Die bunte Displaybeleuchtung beschien sein Gesicht und färbte das Weiße seiner Augen. Er machte es wieder zu und fragte:
       »Was führt dich hierher, Toubab?«
       »Larfaoui.«
       Claudes Lächeln verflüchtigte sich.
       »Chef, du wirst uns doch nicht den Abend verderben.«
       »Als der Kabyle umgelegt wurde, war er nicht allein. Ich suche das Mädchen,«
       Claude antwortete nicht. Er klappte sein Handy ein weiteres Mal auf und schien eine SMS zu lesen. Zweifellos ein Kunde. Aber sein bekümmertes Gesicht verriet nichts. Man konnte nicht erkennen, ob es sich um einen wichtigen Anruf handelte oder nicht.
       »Wo ist sie?«, fragte ich, nachdem ich mein Glas geleert hatte. »Wo ist die Nutte?«
       »Keine Ahnung, Toubab. Ich schwör’s. Ich weiß nichts darüber.«
       »Warst du nicht der Lieferant von Larfaoui?«
       »Die Artikel, die ihn interessierten, hatte ich nicht im Angebot.«
       Ich fragte nach, das Schlimmste befürchtend:
       »Worauf stand er denn so?«
       »Ganz junges Fleisch. Ein Mädchen älter als vierzehn war für Larfaoui ’ne alte Frau.«
       Ich war fast erleichtert. Ich hatte erwartet, dass er mir was von Tieren oder von Scheiße erzählen würde, die Larfaoui löffelchenweise verzehrte. Aber es war auch eine schlechte Nachricht. Es bedeutete einen Wechsel in eine andere Welt, in die der englischsprachigen Länder. Nur diese Regionen exportierten Minderjährige. In Ländern, die Krieg führen, wie Liberia, oder die übervölkert sind wie Nigeria, sind alle Mittel recht, um an ein paar Devisen zu kommen. Dieses Milieu, das vollständig abgeschottet war, kannte ich kaum. Die Nutten hatten wenig Kontakte nach außen, sprachen kein Wort Französisch und oftmals auch kein Wort Englisch.
       »Wer hat ihn beliefert?«
       »Ich kenne diese Netze nicht.«
       Während ich mein Glas zwischen meinen Handflächen drehte, behielt ich die anderen Blacks im Auge. Ich hatte den Schoßteil meines Mantels inzwischen zurückgeschlagen, sodass der Kolben meiner 9-rnm-Kanone freilag. Die Tüte ging noch immer von Hand zu Hand.
       »Mein kleiner Claude, ich werd dir deinen Abend verderben.«
       Dem Schwarzen tropfte der Schweiß von der Stirn. Die Scheinwerfer erzeugten ein buntes Funkeln auf seinem Gesicht. Er unterbrach meine kreisende Handbewegung und fasste mich am Handgelenk.
       »Schau doch bei Foxy vorbei. Die kann dir ’nen Tipp geben.«
       Die afrikanische Prostitution hat eine Eigentümlichkeit: Die Zuhälter sind keine Männer, sondern Frauen, die »Mammas«. Häufig ehemalige Prostituierte, die »aufgestiegen« waren. Fettleibige, bullige Frauen, knallhart, mit zerschnittenen Gesichtern, die nie einen Fuß vor ihre Wohnung setzen. Ich war Foxy ein- oder zweimal begegnet. Sie stammte aus Ghana. Die mächtigste Puffmutter von Paris.
       »Wo wohnt sie jetzt?«
       »Rue Myrrha 56, Aufgang A, dritter Stock.«
       Ich wollte aufstehen, doch Claude hielt mich zurück:
       »Pass auf dich auf. Foxy ist eine Hexe, eine Seelenfresserin. Eeeecht gefährlich!«
       Die afrikanischen Puffmütter hielten ihre Mädchen nicht durch Gewalt, sondern durch Magie in Schach. Wenn sie nicht gehorchten, drohten sie ihnen, ihre Familien, die in ihren Herkunftsländern zurückgeblieben waren, oder sie selbst zu verhexen. Die Mammas bewahrten immer abgeschnittene Fingernägel, Schamhaare oder schmutzige Wäsche von ihren Mädchen auf. Diese Drohung war für die Mädchen furchterregender als jede körperliche Misshandlung.
       Ich musste plötzlich an fratzenhaft verzerrte afrikanische Masken mit rot geränderten Augen denken. Die Musik, die Hitze, der Geruch von Gras verschmolzen in meinem Kopf. Die grellen Töne des Saxophons klangen plötzlich wie das Kratzen der Buschmesser auf dem Asphalt,

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