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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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waren. Vor dem Uhrenfieber hatte es hier schon ein Dorf mit kleinen Gassen, einer Kirche, einem Marktplatz gegeben … Keine Spur von einem Hotel. Dunkelheit und Stille hüllten alles ein. Nur das Licht der Straßenlaternen durchdrang die Dunkelheit. Kein Schaufenster, kein Scheinwerfer antwortete ihnen. Diese Lichtflecken waren schlimmer als die Nacht und die Dunkelheit. Die Nägel des Sargs, der sich über mir schloss.
       Ich fuhr weiter und kam an der Gendarmerie vorbei. Ich dachte an Sarrazin. Er würde dafür sorgen, dass ich mich hier nicht umsehen konnte. Vielleicht würde er sogar persönlich kommen und als Erstes die Hotels überprüfen …
       Ich wendete und kehrte zum Platz zurück.
       Die Kirche aus Granitblöcken hatte einen quadratischen Glockenturm. Ich fuhr in die schmale Gasse hinein, die an der Mauer entlangführte. Neben der Kirche, hinter einem sorgfältig gepflegten Gemüsegarten, stand zurückgesetzt ein Gebäude. Ein Pfarrhaus in altem Stil, mit efeubedeckten Mauern und einem Schieferdach. In der Verlängerung ein weiteres Gebäude aus jüngerer Zeit, das auf ein Basketballfeld hinausging.
       Ich parkte, nahm meine Tasche und ging dann zum Portal. Der Himmel war klar, die Sterne funkelten. Der Kies knirschte unter meinen Schritten. Es war wie ausgestorben.
       Ich läutete am Gartentor und ging hinein, ohne zu warten, bis mir jemand aufmachte. Ich wollte gerade an die Tür klopfen, als sie aufgerissen wurde. Ein in die Jahre gekommener Athlet stand auf der Schwelle. Er mochte um die Sechzig sein, hatte schütteres weißes Haar und trug ein Lacoste-Trikot, das sich über seinem Wanst spannte, und eine Samthose. Auf seinem Gesicht ein Ausdruck verärgerten Erstaunens. Die rechte Hand hielt den Griff, die linke eine Serviette.
       »Herr Pfarrer?«
       Der Mann nickte. Ich tischte wieder die Lüge vom Journalisten auf. Das war nicht der passende Augenblick, um ihn aufzuschrecken.
       »Sehr erfreut«, antwortete er mit einem verhaltenen Lächeln. »Ich bin Pater Mariotte. Falls Sie ein Interview haben wollen, kommen Sie morgen Früh ins Pfarramt. Ich …«
       »Nein, ehrwürdiger Vater. Ich möchte Sie nur bitten, mir für diese Nacht Gastfreundschaft zu gewähren.«
       Sein Lächeln verschwand:
       »Gastfreundschaft?«
       »Ich habe Ihren Anbau gesehen.«
       »Der ist für meine Fußballmannschaft. Es ist nichts vorbereitet. Es ist …«
       »Ich suche keinen Komfort.«
       Und ich fügte mit einem Anflug von Boshaftigkeit hinzu:
       »Als ich im Seminar war, hat man mir immer wieder gesagt, dass ein guter Priester seine Tür immer offen lässt.«
       »Sie … Sie waren auf dem Seminar?«
       »In Rom, in den neunziger Jahren.«
       »Nun, wenn das so ist, dann kommen Sie herein.«
       Er wich zurück, um mich vorbeizulassen.
       »Bei Ihrem Namen war ich mir sicher, dass Sie mich bei sich aufnehmen würden.«
       Der Priester schien meine Anspielung auf die amerikanische Hotelkette nicht zu verstehen. Er war ein Pfarrer alten Stils. Jemand, der sich mit gleicher Energie um seine Schäfchen, seinen Chor und seine Fußballmannschaft kümmerte.
       »Kommen Sie.« Er ging in den Flur. »Ich sag es Ihnen gleich, es ist alles recht schlicht.«
       Als wir das Esszimmer durchquerten, konnte er sich beim Anblick seines Abendessens, das kalt wurde, ein Seufzen nicht verkneifen. Nach einigen weiteren Schritten hantierte er mit einem schweren Schlüsselbund, der an seinem Gürtel befestigt war, und schloss zuerst eine Eichentür und dann eine Metalltür mit der Aufschrift »Brandschutz« auf.
       Mariotte schaltete eine Reihe von Neonleuchten an und ging dann weiter. Rechts des Gangs lagen Gemeinschaftsduschen, die stark nach Chlorreiniger rochen. Dahinter eine Glastür, die auf das Basketballfeld führen musste.
       Er betrat den Raum, der links vom Flur lag, und betätigte einen Schalter. Man erahnte zwei Reihen mit je fünf Betten, die einander gegenüberstanden. Um jedes Bett hing ein Vorhang, der oben in einer Laufschiene befestigt war. Die durch Vorhänge abgetrennten Schlafzellen glichen überdimensionalen Wahlkabinen.
       »Das ist ausgezeichnet«, sagte ich begeistert.
       »Sie sind wirklich bescheiden«, murmelte Mariotte.
       Er zog einen der Vorhänge beiseite, worauf ein Bett mit gelber Steppdecke zum Vorschein kam. An der Wand hing ein hölzernes Kruzifix. Ich hätte mir kein besseres Versteck

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