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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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schwarze Portaltüren umgrenzten den inneren Bereich. Nur ein farbliches Detail heiterte das Ganze auf: Ein Teil des Dachs war mit leuchtenden bunten Ziegeln gedeckt, die an den Farben- und Formenreichtum der Gaudi’schen Bauwerke in Barcelona erinnerten.
       Ich stellte das Auto auf dem Parkplatz ab und bot dem Wind die Stirn. Der Ort erfüllte mich sogleich mit einer eigenartigen Sehnsucht. Bienfaisance war ein Refugium, in das ich mich gern zurückgezogen hätte. Ein Ort, der meinem Wunsch nach einem mönchischen Leben konkrete Gestalt gab. Der Welt entsagen, allein mit Gott bleiben, auf der Suche nach Glückseligkeit …
       Nachdem ich Polizist geworden war, hatte ich mich nur ein Mal zu den Benediktinern zurückgezogen – nachdem ich im März 2000 Éric Benzani erschossen hatte, den psychopathischen Zuhälter. Ich hatte beschlossen, aus meinem Beruf auszusteigen und den Rest meiner Tage dem Gebet zu widmen. Wieder war es Luc, der mich abholte. Er hatte mich davon überzeugt, dass mein Platz »auf der Straße« war, neben ihm. Wir müssten unseren zweiten Tod annehmen, den, der uns von Christus entferne, um Ihm besser dienen zu können.
       Ich zog an der Glocke. Keine Antwort. Ich drückte gegen die Tür, sie war offen. Der Innenhof wurde von einem verglasten Säulenumgang gesäumt. Draußen spielten zwei eingemummte Frauen auf einem Klapptisch Schach. Ein betagter Mann, der sich in eine Decke gewickelt hatte, schlummerte unter einem Baum. Eine eisige Sonne beleuchtete diese starren Figuren und verlieh ihnen irgendwie das Aussehen von Schattengestalten.
       Ich ging durch den Laubengang, bis ich zu einer weiteren Tür kam. Meines Erachtens musste sie in die Kirche führen. Auf einem Tisch lag ein Heft mit der Aufschrift: »Schreiben Sie Ihre Vorsätze auf. Sie werden beim Gemeinschaftsgebet berücksichtigt.« Ich beugte mich herab und las einige Zeilen; Gebete für Missionen im Ausland, für Tote …
       Plötzlich ertönte hinter mir eine Stimme:
       »Das ist privat hier.«
       Ich erblickte eine kleinwüchsige, stämmige Frau. Sie trug eine schwarze Haube, die ihr in die Stirn reichte, und einen dunklen Umhang.
       »Das Gästehaus ist diese Saison geschlossen.«
       »Ich bin kein Tourist.«
       Sie runzelte die Stirn. Dunkelbrauner Teint, asiatische Gesichtszüge, dunkle Augen, die an zwei graue Perlen im Innern schleimiger Austern erinnerten. Ihr Alter war schwer zu schätzen. Zweifellos über sechzig. Ich vermutete, dass sie von den Philippinen stammte.
       »Historiker? Theologe?«
       »Polizist.«
       »Wir haben der Gendarmerie bereits alles gesagt.«
       Nicht die Spur eines Akzents, aber eine näselnde Stimme. Ich hielt ihr meinen Dienstausweis unter die Nase und lächelte dabei freundlich:
       »Ich komme aus Paris. Dieser Todesfall wirft einige Fragen auf, um es einmal so auszudrücken.«
       »Junger Mann, ich habe die Leiche entdeckt. Ich weiß Bescheid.«
       Ich betrachtete den Innenhof und tat so, als würde ich Ausschau nach einer Sitzgelegenheit halten.
       »Können wir uns irgendwo hinsetzen?«
       Die Missionarin fixierte mich mit ihren wässrigen Augen:
       »Sie haben etwas von einem Mönch an sich.«
       »Ich habe das Französische Seminar in Rom besucht.«
       »Hat man Sie deshalb hergeschickt? Sind Sie ein Spezialist?«
       Sie sagte das, als wäre ich ein Exorzist oder Parapsychologe. Es war ein Trumpf, den ich sofort auszuspielen beabsichtigte.
       »Genau«, murmelte ich.
       »Ich heiße Marilyne Rosarias.« Sie griff nach meiner Hand und drückte sie fest. »Ich leite die Stiftung. Warten Sie hier auf mich.«
       Sie verschwand hinter einer Tür, die mir nicht aufgefallen war. Ich nahm den Geruch des alten Gemäuers wahr und beobachtete die Gestalten im Hof, als sie schon wieder auftauchte.
       »Folgen Sie mir. Ich werde Ihnen etwas zeigen.«
       Ihr Umhang rauschte wie der Flügel einer Fledermaus. Eine Minute später waren wir im Freien und kämpften gegen den Bergwind an. Unser Atem kondensierte in Dampfwölkchen. Wir mussten die Felswand über dem Kloster erklimmen. Marilyne nahm tapfer einen steilen Pfad in Angriff, auf dem querliegende Baumstämme das Weiterkommen behinderten.
       Zehn Minuten später gelangten wir in einen von moosbewachsenen Felsen gesprenkelten Kiefern- und Birkenhain. Wir folgten dem Wasserlauf. Die Äste waren von grünem Samt überzogen, und die Steine, die

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