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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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aus dem Wasser ragten, leuchteten ebenfalls in einem grünen Flaumkleid. Wir gelangten auf einen breiteren Pfad: ockerfarbener Boden und dichtstehende schwarze Tannen. Nach und nach verdrängte das Geräusch der Wipfel das Brodeln des Wassers. Marilyne schrie:
       »Wir sind fast da! Der höchste Punkt des Parks ist hier, über der Roche Rêche und ihrem Wasserfall!«
       Eine leicht abschüssige große Lichtung tauchte auf, die an einer Seite von einer Steilwand flankiert wurde. Das Kloster lag jetzt zu unseren Füßen. Ich erkannte die Szenerie von den Fotos, die ich bei Valleret gesehen hatte, wieder. Marilyne deutete mit dem Zeigefinger auf eine Stelle.
       »Die Leiche lag dort unten, unmittelbar oberhalb der Kluft.«
       Wir stiegen den Hang hinunter. Das Gras wuchs so dicht wie auf einem Golfplatz.
       »Kommen Sie jeden Morgen hierher, um sich zu sammeln?«
       »Nein, ich bleibe normalerweise auf dem Pfad.«
       »Wie haben Sie dann die Leiche gefunden?«
       »Aufgrund des Gestanks. Ich habe gedacht, es wäre ein totes Tier.«
       »Um wie viel Uhr war das?«
       »Um 6 Uhr früh.«
       Ich erriet ein weiteres Detail:
       »Sie haben Sylvie Simonis wiedererkannt, nicht wahr?«
       »Ja. Das Gesicht war gut erhalten.«
       »Haben Sie sie gekannt?«
       »Jeder in Sartuis hat sie gekannt.«
       »Ich meine: persönlich.«
       »Nein. Aber der Mord an ihrer Tochter hat die ganze Gegend erschüttert.«
       »Was wissen Sie darüber?«
       »Das, was alle darüber wissen.«
       Ich schwieg. Die Dunkelheit brach herein. Schneeflocken tüpfelten die Luft. Ich hätte mir gern eine Camel angezündet, aber ich wagte es nicht, aus Pietät vor der Toten, die man hier gefunden hatte.
       »Man hat mir gesagt, die Leiche sei zum Kloster hin ausgerichtet gewesen.«
       »Selbstverständlich.«
       »Wieso selbstverständlich?«
       »Weil diese Leiche eine Provokation war.«
       »Von wem?«
       Sie vergrub ihre beiden Hände unter dem Umhang. Ihr faltiges braunes Gesicht glich einem Stück Quarz.
       »Vom Teufel.«
       Das ist es also!, dachte ich. Obwohl der Gedanke absurd war, hatte er doch etwas Aufmunterndes: Der Feind hatte endlich einen Namen, auch wenn jede Menge abergläubische Vorstellungen damit verbunden waren.
       »Wieso sollte sich der Teufel ausgerechnet diesen Park aussuchen?«
       »Um unser Kloster zu beschmutzen und zu verderben. Wie können wir hier noch in Ruhe beten? Satan hat uns mit seinem Unrat besudelt.«
       Ich ging nahe an die Kante der Felswand heran. Der Wind drückte meinen Mantel gegen meine Beine. Meine Schuhsohlen pressten bei jedem Schritt das harte Gras nieder.
       »Was, außer der Wahl des Ortes, bringt Sie noch auf die Idee, dass es sich um einen satanischen Akt handeln könnte?«
       »Die Lage des Körpers.«
       »Ich habe die Fotos gesehen. Darauf ist mir nichts Diabolisches aufgefallen.«
       »Also …«
       »Was?«
       Sie sah mich aus den Augenwinkeln an:
       »Sind Sie wirklich ein Experte?«
       »Ich habe es Ihnen doch gesagt. Rituelle Verbrechen, satanistische Morde. Mein Dezernat arbeitet direkt mit dem Erzbistum Paris zusammen.«
       Sie schien beruhigt zu sein.
       »Bevor ich die Gendarmerie anrief«, sagte sie mit leiserer Stimme, »habe ich die Position der Leiche verändert.«
       »Was haben Sie?«
       »Ich hatte keine andere Wahl. Sie kennen nicht den Ruf von Notre-Dame-de-Bienfaisance. Seine Märtyrer. Seine Wunder. Die Beharrlichkeit, mit der unsere Vorväter diese Stätte verteidigt haben, die unentwegt von Zerstörung bedroht war. Wir …«
       »Wie lag sie ursprünglich?«
       Sie zögerte noch immer. Schneeflocken umtanzten ihr dunkles Gesicht.
       »Sie lag da«, murmelte sie, »auf dem Rücken mit gespreizten Beinen.«
       Ich beugte mich vor: Hundert Meter unter mir schlängelten sich die Umfassungsmauer und der Wassergraben. Die entblößte, von Maden wimmelnde Vagina der Leiche zeigte also auf das Kloster. Jetzt begriff ich die »Provokation«. Satan, der Fürst der Finsternis und gefallene Engel, der gegen Gott aufbegehrte, wollte die Kirche noch immer unter seinem Schmutz begraben …
       »Marilyne, Sie scherzen wohl«, sagte ich, während ich mich wieder aufrichtete. »Der Teufel macht doch keine halben Sachen. Es muss noch etwas da gewesen sein. Zeichen im Gras? Pentagramme? Eine

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