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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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vorstellen können. Ruhe, Einfachheit, Diskretion …
       Der Priester klatschte kraftvoll in die Hände.
       »Schön, dann machen Sie es sich erst einmal bequem. Die Glastür dort drüben ist immer geöffnet. Das ist sehr praktisch, wenn Sie das Gebäude verlassen wollen. Was mich betrifft, ich …«
       Er brach mitten im Satz ab, nachdem ihm die Situation klar geworden war. Dann sagte er:
       »Möchten Sie … vielleicht das Abendessen mit mir teilen?«
       »Gern.«
       Im Gang fiel mir ein Verschlag aus dunklem Sperrholz auf, der in zwei Hälften unterteilt war.
       »Ist das ein Beichtstuhl?«
       »Sie kennen sich aus.«
       »Gibt es denn keinen in der Kirche?«
       »Der da ist für Notfälle.«
       »Was für Notfälle?«
       »Wenn jemand das unwiderstehliche Bedürfnis verspürt zu beichten, geht er durch die Hintertür herein und läutet. Ich komme dann und nehme ihm die Beichte ab.« Dann fügte er in scharfem Ton hinzu: »Wie Sie selbst gesagt haben: ›Ein guter Priester lässt seine Tür immer offen.‹«
       »Sind denn die Menschen hier so gläubig?«
       Er machte eine vage Geste.
       »Kommen Sie nun oder nicht?«
       Im Esszimmer ergriff Mariotte den Kochtopf auf dem Tisch.
       »Jetzt ist natürlich alles kalt.«
       »Haben Sie keine Mikrowelle?«
       Er sah mich entgeistert an:
       »Warum keinen Raketenwerfer? Warten Sie. Ich wärme alles auf kleiner Flamme wieder auf. Holen Sie sich einen Teller und Besteck aus dem Büfett.«
       Ich deckte meinen Platz. Die Atmosphäre in dem Haus gefiel mir. Der Geruch von gewachstem Holz vermischte sich mit dem des Essens. Ein Kessel surrte in einer Ecke des Zimmers. Die Wände waren bis auf ein Kruzifix und einen Kalender mit Madonnenbild kahl. Alles war schlicht und natürlich, und dennoch schien diese Behaglichkeit mit Sorgfalt hergerichtet.
       »Probieren Sie das«, rief Mariotte, als er den Kochtopf wieder auf den Tisch stellte. »Nudeln mit Wachteln und Morcheln. Die Spezialität des Hauses!«
       Er hatte seinen Humor wiedergefunden. Ich betrachtete ihn genauer. Er hatte ein rosiges Gesicht, helle, freundliche Augen, die von zahllosen Fältchen eingerahmt wurden. Sein schütteres Haar stand in alle Richtungen ab, und er versuchte immer wieder, es platt zu drücken.
       »Das Geheimnis«, flüsterte er, »ist der Koriander. Ein paar Prisen zum Schluss und … schon entfalten die anderen Gewürze ihren ganzen Geschmack.«
       Er füllte behutsam unsere Teller, wie ein Dieb, der die Schmuckstücke seiner Beute sichtet. Einige Minuten lang herrschte Schweigen, weil wir ganz in den kulinarischen Genuss vertieft waren. Die Nudeln waren köstlich. Der Roggengeschmack, die Herbheit der Morcheln, die Frische der Kräuter vereinigten sich zu überraschenden Geschmacksnuancen, einer erfrischenden Bitterkeit.
       Schließlich ergriff der Priester wieder das Wort, wobei er auf allgemeine Themen einging. Seine Pfarrei, die in den letzten Zügen lag, der unaufhaltsame Niedergang der Stadt, der frühe Wintereinbruch. Er sprach mit einem eigenartigen Akzent und phrasierte seine Sätze mit tiefen Kehllauten. Ein Thema lag ihm jedoch besonders am Herzen.
       »Haben Sie die richtigen Reifen am Wagen? Sie müssen daran denken!«
       Ich nickte mit vollem Mund.
       »Kontaktreifen.« Er schwenkte seine Gabel. »Sie brauchen Kontaktreifen!«
       Beim Käse wandte er sich einem anderen Steckenpferd zu: Die Hinführung der Jugendlichen zum Glauben durch Sport. Ich benutzte eine kurze Gesprächspause – zwischen Roquefort und Bleu de Bresse –, um das Thema meiner »Reportage« anzusprechen. Sylvie Simonis.
       »Ich kannte sie kaum«, meinte Mariotte ausweichend.
       »Kam sie nicht zur Messe?«
       »Doch. Natürlich.«
       »War sie eine eifrige Kirchgängerin?«
       »Zu eifrig.«
       »Wie das?«
       Mariotte wischte sich den Mund ab und trank dann einen Schluck Rotwein. Er lächelte weiterhin, aber ich spürte jetzt in seinem Innern eine versteckte Anspannung.
       »An der Grenze zum Fanatismus. Sie glaubte an die Rückkehr zu den Wurzeln.«
       »Die lateinische Messe, solche Traditionen?«
       »Ihr wäre es am liebsten gewesen, wenn die Messe auf Griechisch gehalten worden wäre.«
       »Auf Griechisch?«
       »Wenn ich es Ihnen doch sage! Sie war fasziniert von den ersten Jahrhunderten der christlichen Ära. Die Anfänge unserer

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