Das Herz der Kriegerin
wirres Zeug und seine Augenfarbe wechselte mit jeder Minute. Mal waren seine Augen blau, dann silbern, dann wieder grün und rot. Irgendetwas schien in seinem Innern mit seiner Lebensquelle zu ringen – nur was?
Tagelang hatte sich Jared schon den Kopf zerbrochen. Was war das bloß für eine Krankheit?
Dann war ihm ein erschütternder Gedanke gekommen. Was, wenn er etwas von dem fremden Lamienelixier abbekommen hatte? Wenn es sich in dem Knochenstück befunden hatte? Nie war versucht worden, einem Lamius ein zweites Elixier zu verabreichen. Konnte es sein, dass sie krank wurden, wenn ein weiteres Elixier in ihre Körper gelangte?
Ein leises Rascheln holte ihn aus seinem Nachdenken fort.
Sauls erster Blick beim Eintreten fiel auf Ashar, dessen Augen jetzt in einem seltsamen Orangeton leuchteten.
»Ich glaube, wir haben den Mechanismus gefunden, der den Boden über dem Grab wieder verschließt«, berichtete Saul dann. »Allerdings sieht es ganz so aus, als müsste er von innen betätigt werden.«
»Was natürlich sinnvoll ist, denn die Lamien wollen ja sicherstellen, dass niemand sie von außen stört und vielleicht ihr Elixier abzapft, wie es diese beiden missratenen Zwerge getan haben.« Wieder stieg der Zorn in ihm auf. Ob Malkuth seine Lamie bereits hatte? Zwar gab es keinen Beweis dafür, dass das Elixier wirklich noch eine Umwandlung bewirken konnte, aber wenn doch … Dieser Gedanke ließ ihn ein Wiedersehen mit Sayd und Laurina geradezu fürchten, denn sie hatten ihm den Auftrag gegeben, das zu verhindern, und er hatte versagt …
»Meinst du, dass es wirklich nötig ist, die Gruft wieder zu verschließen? Sollten wir sie nicht einfach vom Sand zuschütten lassen?«
Jared überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Wer weiß, wie viele Lamien es noch auf der Welt gibt. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass so viele nach dem Tod gesucht haben. Vielleicht gibt es noch andere.«
»Aber Ashala …«
»Ashala war der Meinung, dass sie die Letzte wäre, aber das konnte sie unmöglich wissen. Die Welt ist groß und wie wir gesehen haben, gibt es nicht nur weißhäutige Lamien. Bestimmt sind noch einige andere da draußen, und denen sollten wir die Möglichkeit, ihr Leben zu beenden, nicht nehmen. Wenn wir das Grab vom Wind zuwehen lassen, werden sie keine Möglichkeit mehr haben, es zu finden.«
Sauls Miene verfinsterte sich. »Aber so geben wir Malkuth die Möglichkeit, immer wieder neues Elixier abzunehmen.«
»Nicht, wenn wir die restlichen Skelette vernichten.«
Saul seufzte, dann sagte er: »Dann wirst du dir wohl etwas einfallen lassen müssen, um die Decke über dem Grab wieder zu schließen. Ich für meinen Teil hänge noch genug an meinem Leben, um nicht auf ewig in dem Grab gefangen sein zu wollen.«
»Keine Sorge, mir wird schon etwas einfallen«, entgegnete Jared, dann wandte er sich wieder Ashar zu, dessen Augen jetzt türkisblau glühten.
20
D as Örtchen Domrémy bestand lediglich aus ein paar größeren und kleineren Bauerngehöften, aber im Krieg konnte eine saftige Keule zuweilen mehr wert sein, als Berge von Gold und Silber. Die Häuser waren heil geblieben, wie es seinen Bewohnern ergangen war, sah man dem Ort freilich nicht von außen an.
Ich brannte darauf, den Mann kennenzulernen, der sich den Bewaffneten entgegengestellt hatte und dem es gelungen war, die Burgunder mit Geld zufriedenzustellen. Den Angaben des Wirts zufolge war das gesamte Dorf gegen die Burgunder.
»Was meinst du, Sayd?«, fragte ich, als ich mich im Sattel umwandte und bemerkte, wie versonnen unser Anführer dreinschaute. »Ist es das Dorf, das du in deiner Vision gesehen hast?«
»Durchaus möglich. Es gibt den Fluss, die Gegend stimmt und auch der Wald kommt mir bekannt vor. Jetzt müssen wir nur das Mädchen finden.«
»Ihr Gesicht hast du gesehen, nicht wahr?«
Sayd nickte. »Es war ein sehr liebreizendes Gesicht, umkränzt von blondem Haar.« Sein Blick kribbelte auf meiner Wange. »Beinahe sah sie wie du aus.«
Das sollte offenbar wieder eine seiner Neckereien sein, doch ich ging nicht darauf ein. Seit unseren leidenschaftlichen Küssen in der Pariser Herberge hatte er nicht wieder versucht, mir nahezukommen. Das konnte daran liegen, dass David ständig bei uns war – oder aber, dass Sayd sich wegen Gabriel zurückhielt, weil ihn das schlechte Gewissen überkommen hatte. Natürlich lächelte er mich hin und wieder an, aber das musste nichts heißen.
»Ich vermute, dass es hier etliche
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