Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
Halme konnte ich hören, dass sie ein Lied sang. Dieses Lied trieb mir schlagartig die Tränen in die Augen, erinnerte es mich doch an die Lieder, die Gabriel leise vor sich hin gesummt hatte, wenn er seine Messer schärfte oder mit einer anderen Arbeit beschäftigt war, die seine ganze Konzentration erforderte.
    »Gehen wir besser zu Fuß«, sagte Sayd und erstickte damit den Erinnerungsfunken.
    Als wir von den Pferden herunter waren, folgten wir dem Kind in großem Abstand ein ganzes Stück über die Wiese. Diese mündete schließlich in einen Feldweg. Da den ganzen Tag die Sonne geschienen hatte, hing ein leichter Duft nach Heu in der Luft.
    Während sich die Kühe auf der Weide verteilten, setzte sich das Mädchen unter einen Baum und begann, auf einem Grashalm herumzukauen. So angespannt, wie sie dabei wirkte, hatte sie wohl nicht vor, einen ruhigen Nachmittag hier draußen zu verbringen. Kurz beäugte sie die Rinder, und als diese die Köpfe alle ins Gras gesteckt hatten, sprang sie auf und lief los
    »Offenbar hat sie jetzt schon die Nase voll vom Rinderhüten«, bemerkte David trocken und erhob sich wieder von dem Stein, auf dem er sich gerade niedergelassen hatte.
    Da sich die Gestalt des Mädchens rasch entfernte, blieb uns nicht viel Zeit für Spekulationen über ihre Beweggründe. Rasch banden wir unsere Pferde an und huschten dann so leise wie möglich hinter ihr her.
    Eine Weile folgten wir ihr durchs hohe Gras und ich fragte mich, wohin sie jetzt wohl wollte. Wer auch immer sie mit der Herde losgeschickt hatte, konnte kaum wollen, dass sie die Tiere allein ließ.
    Doch das Mädchen schien keinerlei Gewissensbisse zu haben. Ganz im Gegenteil! Fröhlich vor sich hin singend suchte sie sich ihren Weg durch die Wiese – offenbar eine Abkürzung – bis schließlich eine kleine Kapelle vor ihr auftauchte.
    Verwundert blieben wir stehen.
    »Vielleicht wird sie dort von jemandem erwartet«, sagte Sayd.
    »Aber sie ist doch noch ein Kind!« David wirkte entsetzt.
    »Ich glaube nicht, dass sie unlautere Absichten hat«, mischte ich mich ein, mittlerweile hatte sie die Tür zur Kapelle aufgestoßen, hatte sich bekreuzigt und war eingetreten. »Los, lasst uns nachschauen, was sie dort tut.«
    Ohne die Reaktion meiner Freunde abzuwarten, lief ich voran.
    Von Kapellen wie dieser hatte mir Gabriel einst erzählt. Sie standen am Wegrand, um Wanderern zu ermöglichen, zu ihrem Gott zu beten, wenn sie es wollten oder wenn sie es nötig hatten. Manchmal dienten solche Gebäude auch als Unterschlupf für Verfolgte oder als Obdach bei einem Unwetter.
    An der Kapelle angekommen, spürte ich, dass sie allein war. Es gab nur einen Herzschlag in dem Raum, nur einen Mund, der atmete. Dennoch schien sie mit jemandem zu sprechen.
    Als ich durch die Tür spähte, die einen Spaltbreit aufgeblieben war, sah ich sie vor einem Altar knien, der dem ähnelte, den Gabriel in seinem alten Haus gehabt hatte. Nur war dieser hier über und über mit Blumen bedeckt und wesentlich prachtvoller. Mit gesenktem Kopf flüsterte sie die Worte, die ich auch über Gabriels Lippen hatte kommen hören, wenn er vor seinem Altar niedergekniet war.
    Doch plötzlich richtete sie sich auf und blickte beinahe schon verzückt zu dem Kreuz auf, von dem Jesus mit leidendem Blick auf sie herabsah.
    »Ja, das will ich tun«, sagte sie so deutlich, dass man es bis draußen hören konnte. »Ich verspreche es Euch.«
    Ich blickte mich zu Sayd um, der dicht hinter mir stand. Er schien mit diesen Worten auch nicht viel anfangen zu können – und erst recht wusste er nicht, wem sie galten. Doch nun konnte ich von seiner Miene Gewissheit ablesen. Hatten wir unser Mädchen gefunden? Wenn ja, sollten wir sie schleunigst nach ihrem Namen fragen …
    Nur einen Atemzug, bevor sie sich zum Gehen wandte, verschwanden wir von der Tür und als sie nach draußen trat, verharrte sie einen Moment, als könnte sie uns spüren, dann lief sie wieder mit einem Lied auf den Lippen den Weg entlang, den sie gekommen war.
    »Was meinst du zu ihr?«, fragte ich Sayd, während die schmale Gestalt im hohen Gras verschwand. »Könnte sie es sein? Ihr Verhalten erscheint mir recht ungewöhnlich.«
    »Warum?«, wandte David ein. »Sie hat gebetet, das ist alles.«
    »Schon, aber hattest du nicht das Gefühl, dass sie mit jemandem gesprochen hat?«
    »Ein Gebet ist ein Gespräch mit Gott«, entgegnete David schmunzelnd, denn er wusste ja, dass die Bitten meines Volkes an unsere Götter etwas

Weitere Kostenlose Bücher