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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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meine Worte bedächtig. »Wenn es nötig ist – und bitte lass mich ausreden –, wenn es wirklich nötig sein sollte und wir einen weiteren Unsterblichen brauchen, dann darfst du mir das Elixier abnehmen. Einmal.«
    Sayd presste die Lippen zusammen, schnaufte missbilligend und schüttelte den Kopf.
    »Bitte«, flehte ich ihn an. »Wenn es wirklich nötig sein sollte. Ich weiß, dass wir im Moment niemanden brauchen. Die Lücke, die Gabriel hinterlassen hat, soll nur durch ihn geschlossen werden und durch niemanden sonst. Aber du hast erlebt, was der Strudel der Zeit anrichten kann. Manchmal sind Dinge, die wir nicht tun wollen, einfach nötig, und deshalb bitte ich dich, dass dann du derjenige bist, der es tut. Das gilt auch für den Fall, dass es mir so ergeht wie Ashala. Sollte ich sterben, lass diese kostbare Gabe nicht einfach untergehen. Nimm mein Elixier und gib es einer, die würdig ist. Das ist mein Wunsch.«
    Er wollte protestieren, doch ich legte ihm schnell meine Finger auf den Mund. Erstaunlich, welche Wirkung diese Geste hatte, denn er schwieg und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, nickte er.
    »Einverstanden, sayyida , wenn dies dein Wunsch ist, werde ich ihm folgen. Aber ich schwöre dir, wir werden alles dafür tun, dass es niemals nötig sein wird.«
    Damit küsste er sanft meine Hand, wandte sich um und verschwand in der Dunkelheit.

2
    A n diesem Wintermorgen, zarte Schneeflocken wirbelten durch die Luft, erhob ich mich schon früh von meinem Lager, gepackt von dem brennenden Verlangen, das Meer zu sehen und Ausschau zu halten nach Gabriel.
    Einige meiner Brüder bezweifelten, dass er noch am Leben war, doch mein Herz, das Herz einer alten Frau im Körper einer scheinbar Zwanzigjährigen, sagte mir deutlich, dass er noch lebte, irgendwo auf dieser großen, weiten Welt. Vielleicht hatte es ihn gar zu dem sagenumwobenen Land jenseits des großen Wassers getrieben, dass Männer meines Volkes bereist haben wollten.
    Die Gelegenheit für einen Ausflug war günstig. Kurz nach unserer Ankunft im Dorf war Sayd mit Vincenzo nach London geritten, um in Erfahrung zu bringen, welche Auswirkungen die Rettung des französischen Dauphin auf den englischen Hof hatte. Wenn unser Anführer hier war, ließ er mich nicht allein fortreiten, aus Angst, dass mich die Dschinn aufstöbern könnten. Doch heute musste ich mich nicht seinen mitleidigen Blicken aussetzen.
    Als ich, frisch gewaschen und in meinen besten Kleidern, meinen warmen Wollmantel auf den Schultern, aus unserem Haus trat, vernahm ich bereits das laute Schlagen eines Schmiedehammers. Offenbar hatte es David an diesem Morgen auch nicht lange in den Federn gehalten. Ich wusste, dass er von Albträumen heimgesucht wurde, die ihm abwechselnd das Massaker an den Armagnacs und den Tod seiner eigenen Familie zeigten. So wütend, wie er auf das Eisen eindrosch, schien er eine ganz furchtbare Nacht gehabt zu haben.
    Da der Weg zu den Pferdeställen an der Schmiede vorbeiführte, beschloss ich, vor meinem Ausritt einen kleinen Plausch mit ihm zu halten. Außerdem musste jemand wissen, wo ich hinwollte.
    »Guten Morgen, David«, rief ich. Als er aufblickte, glätteten sich seine wütenden Züge ein wenig. »Schon so früh auf? Die Hähne haben sich gerade über das laute Hämmern beschwert.«
    »Sag den Hähnen, dass sie besser ihre Schnäbel halten sollen, wenn sie nicht Bekanntschaft mit dem Suppentopf machen wollen.« Er legte den Hammer beiseite, griff nach einem Lappen und wischte sich Schweiß und Ruß vom Gesicht. »Wohin willst du so früh?« Sein Blick schweifte über mein Kleid – ein Frauenkleid, obwohl ich es hauptsächlich trug, damit ich den Dorfbewohnern nicht allzu fremdartig erschien. »Du willst ans Wasser.«
    Ich nickte stumm und wappnete mich innerlich gegen den Vorwurf, dass ich das Meer doch erst vor Kurzem gesehen hatte. Ja, das stimmte, doch da war ich keinen Augenblick allein gewesen, hatte meine Götter nicht anrufen können.
    David kaute eine Weile auf seiner Lippe herum, dann fragte er aber nur: »Brauchst du Begleitung? Du weißt doch, dass Sayd es nicht gern sieht, wenn du allein reitest.«
    Ich seufzte. »Ich weiß, und ich verstehe gar nicht, warum er sich so aufführt! Ich bin in den vergangenen Jahrzehnten nicht schwächer geworden, ganz im Gegenteil.«
    »Er liebt dich, Laurina«, entgegnete David mit ungewohnter Deutlichkeit und einem traurigen silbernen Leuchten in seinen normalerweise grünen Augen. »Hast du das

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