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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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zurückzuschicken. Sie war zwar nicht für das Meer zuständig, doch ihre Walküren müssten Gabriel doch sehen, wenn er sich noch nicht in Wallhall oder dem Paradies seines Gottes befand …
    Auf einmal kam mir eine Idee. Ich wunderte mich, dass ich nicht schon früher daran gedacht hatte. Wenn das Wasser nicht in der Lage war, uns zu töten – warum stellte ich diese Fähigkeit nicht auf die Probe? In unserer alten Heimat war ich durchs Feuer gegangen – da dürfte es mir doch nicht schwerfallen, für Gabriel ins Wasser zu gehen …
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich allein war und kein Fischer mich versehentlich zu Gesicht bekommen konnte, entledigte ich mich meiner Kleider, versteckte meine Waffen unter einem Stein in der Nähe, dessen Oberfläche von einer dünnen Eisschicht überzogen war, und schritt auf das Meer zu. Die eisige Luft biss mit scharfen Zähnen in meine Haut, der Wind zerrte an meinen Haaren, doch es machte mir nichts aus. Ich konnte die Glut des Feuers ertragen, dasselbe galt für Eiseskälte. Als die Brandung meine Füße berührte, war es, als würden tausend Nadeln auf mich einstechen, doch wäre ich als Mensch davor zurückgewichen, in der Angst, dass die Kälte meinem Körper schaden, ihn sogar vielleicht töten könnte, so ging ich jetzt furchtlos und trotz aller Schmerzen voran. Wie sollte ich herausfinden, ob Gabriel noch lebte, wenn ich mich nicht derselben Situation aussetzte? Wenn ich nicht versuchte, unter Wasser zu atmen?
    Kurz blieb ich stehen und suchte mein Spiegelbild im Wasser. Die Gischt versuchte, es vor mir zu verbergen, doch als sich das Meer zurückzog, sah ich es und war überrascht. Ich erblickte einen Schädel, sauber genagt vom Zahn der Zeit. Anstelle der Augen blickten mich dunkle Höhlen an, mein Haar war verschwunden. Würde ich als Mensch in diesem Augenblick so aussehen? Sicher, denn nach hundert Jahren war kein Fleisch mehr an einem Körper, der in der Erde begraben lag. In all den Jahren hatten wir den Blick in natürliches Wasser gemieden, offenbar umsonst, denn der Anblick des Schädels hatte nichts Furchteinflößendes mehr.
    Ich riss mich von dem Anblick meines toten Spiegelbildes los und ging weiter ins Wasser. Die Nadelstiche erreichten meine Knie, meinen Oberschenkel, mein Gesäß, schließlich meinen Bauch, meine Brüste, meine Schultern, meinen Hals. Der Boden unter mir wurde zunehmend uneben, auch versuchte das Wasser, mich zu tragen. Ich widersetzte mich seiner Kraft, so gut es ging, tauchte unter, bis auch die letzte Strähne meines Haares in den Fluten verschwand, und sah mich dann um. Das Wasser trug viel Sand und Schlick mit sich sowie ein paar Muscheln.
    Jetzt blieb mir nur noch eines zu tun. Die Erinnerung an den Untergang des Schiffes meines Vaters stieg wieder in mir hoch und ließ mich für einen Moment alte, menschliche Angst spüren. Gleichzeitig war da ein merkwürdiges Ziehen in meiner Brust, so als würde sich meine Lebensquelle gegen mein Vorhaben wehren wollen. Ich beachtete sie nicht und öffnete einfach meine Lippen.
    Das Wasser füllte meinen Mund, doch ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, verschloss sich meine Kehle, als wäre eine Falltür heruntergelassen worden. Ich schmeckte Sand und Algen, versuchte zu atmen, doch es gelang mir nicht. Seltsamerweise gierte mein Körper nicht nach Luft. Mein Herz schlug ruhig weiter, meine Quelle regte sich und sorgte dafür, dass ich nicht starb. So musste es auch bei Gabriel gewesen sein, denn in uns floss das Elixier derselben Lamie. Doch wie lange würde es mich am Leben erhalten?
    Ich beschloss, es herauszufinden, indem ich weiterging. Schritt für Schritt – während sich der Boden unter mir auflöste und tiefe Dunkelheit mich umfing. Noch immer gab es kein Leben zu sehen, nur ein toter Fisch trieb an mir vorüber. In seinen silbrigen Schuppen konnte ich kurz mein Abbild sehen, meine lavendelfarben leuchtenden Augen. Die Menschen hier erzählten sich Geschichten von Meerjungfrauen, wenn ein Fischer mich so gesehen hätte, hätte er mich gewiss für eine solche gehalten.
    Schließlich verlor ich gegen die Macht des Ozeans, ich begann zu schweben. Ich würde schwimmen müssen, um meinem Körper eine Richtung zu geben. Und so beschloss ich, aufzutauchen, obwohl ich noch immer keine Gewissheit hatte, ob das Wasser uns vielleicht doch etwas antun konnte.
    Als mein Körper die Wasseroberfläche durchbrach, löste sich die Sperre in meinem Hals wieder und ich sah, dass ich

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