Das Herz der Nacht
der Entladung eines Sommergewitters. Der Butler und der Bote zogen hörbar die Luft ein. Fürstin Kinsky sah auf die erste Zeichnung herab, hob das Blatt und betrachtete die nächste. Dann eine dritte. Ja, mit einem Mal konnte sie die seltsamen Reaktionen der Männer verstehen.
»Durchlaucht?« Der Butler unternahm einen halbherzigen Versuch, ihr die Mappe abzunehmen. Seine Stimme zitterte.
»Das ist … das ist …«, sagte die Fürstin und wandte sich dann den drei Männern zu, von denen zwei sie furchtsam anblickten, der dritte sie jedoch interessiert betrachtete.
»Das hat Peter Fendi gemalt?«, brach es ungläubig aus ihr hervor.
»Nein, ich glaube nicht«, gab Graf Báthory Auskunft. »Diese Zeichnungen stammen von einem in der Kunstwelt noch unbekannten Freund, der häufig in seinem Atelier anzutreffen ist.«
»Und Fendi lässt es zu, dass man dies seinem Namen zuschreibt?«, fragte die Fürstin empört.
Der Graf hob die Schultern. »Vielleicht ist es in beider Interesse?«
Therese wandte sich noch einmal den Zeichnungen zu, ließ sich auf einen Sessel sinken und blätterte sie eine nach der anderen durch. Als sie die letzte sinken ließ, fühlte sie, wie ihre Schultern zu beben begannen. Sie stützte die Ellenbogen auf das polierte Rosenholz und barg das Gesicht in den Händen.
»Durchlaucht!«, rief der Butler entsetzt. »Soll ich Ihnen etwas zu trinken bringen oder das Riechsalz?«
Fürstin Kinsky ließ die Hände sinken. »Etwas zu trinken ist immer gut«, stieß sie unter Kichern hervor. »Das Riechsalz allerdings wird nicht nötig sein.«
Dann konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie warf den Kopf zurück und lachte schallend, dass ihr Tränen in die Augen traten. Ihr Butler erstarrte und riss die Augen auf. Er musste überzeugt sein, seine Herrin habe den Verstand verloren. Und auch der fremde Besucher schien einer Panik nahe. Nur András Petru Báthory betrachtete die Szene noch immer amüsiert.
Therese zog ein Spitzentuch aus ihrem Ärmel, tupfte sich die Augenwinkel und mühte sich, ihre Haltung zurückzugewinnen.
»Lorenz, bezahle den Boten aus meiner Börse und begleite ihn zur Tür.«
»Soll ich den Herrn Graf auch hinausbegleiten«, erkundigte sich der Butler steif.
Therese sah zu den nun vor Schalk blitzenden Augen auf und schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, Graf Báthory wird mir noch ein wenig Gesellschaft leisten. Du kannst Wein und Konfekt im Frühstückszimmer auftragen lassen.«
Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle der Butler widersprechen, doch unter dem strengen Blick seiner Herrin erinnerte er sich daran, was ihm in seiner Stellung zustand. So verbeugte er sich knapp und führte den Mann hinaus.
Die Mappe unter dem Arm, ging die Fürstin voran ins Frühstückszimmer, wo sie all ihre Mahlzeiten einnahm, wenn ihr Gatte außer Haus weilte oder keine Gäste zum Diner geladen waren. Sorgsam breitete sie die Drucke auf dem Tisch aus und trat dann einen Schritt zurück. Die Hände in die Hüften gestützt, die Brauen ein wenig zusammengeschoben, betrachtete sie die Werke, die eines gemein hatten: Sie zeigten alle mehr oder minder bekleidete Paare – die entscheidenden Partien jedenfalls allesamt entblößt – in lustvoller Umarmung, wollte man es harmlos ausdrücken. In beginnendem Vollzug des geschlechtlichen Akts traf die Sache wohl genauer, wobei der Zeichner stets darauf geachtet hatte, die dazu notwendigen Körperteile mehr als deutlich darzustellen, auch wenn die Paare dadurch zuweilen eine seltsam verrenkt wirkende Körperhaltung einnahmen, was fast ein wenig grotesk wirkte.
Therese beugte sich über eines der Werke und schüttelte langsam den Kopf. Sie hatte wohl davon gehört, dass solche Bilder in Männerkreisen kursierten, hatte bisher jedoch keines davon zu Gesicht bekommen.
»Das ist typisch für die männliche Fantasie: Der Mann ist übertrieben großzügig von der Natur ausgestattet, und das Weib lächelt beglückt von seinen Gaben!«, sagte sie abfällig.
Vielleicht hatte sie die Anwesenheit des Grafen beim Anblick der Bilder vergessen, oder ihr war in diesem Augenblick nicht bewusst, dass sie ihre Gedanken laut aussprach. Erst sein verhaltenes Lachen hinter ihr machte ihr bewusst, was sie gesagt hatte. Erschrocken fuhr sie herum.
»Graf, vergessen Sie, was ich gesagt habe!«
»Warum, Durchlaucht? Es entspricht durchaus der Wahrheit, und was wahr ist, darf ausgesprochen werden, oder nicht? Zumindest in den eigenen Wänden, in denen man
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