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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ihrem Stuhl Platz, trank – zumindest äußerlich gelassen – zwei Tassen Kaffee und erhob sich dann, um den späten Besucher zu empfangen.
    »Durchlaucht!«
    András hatte am Fenster gestanden und in den vorderen Hof hinabgesehen. Nun, als der Butler die Fürstin meldete, drehte sich der Besucher um und kam leichtfüßig auf sie zu, um ihr die Hand zu küssen.
    »Graf Báthory von Brasov, wenn ich recht informiert bin?«, sagte die Fürstin ein wenig kühl.
    Ein Lächeln erhellte die wie aus Porzellan gemeißelten Züge. Hier im von zahlreichen Leuchtern üppig erhellten Salon kamen sie ihr unnatürlich bleich vor, wie sie es bisher nur bei einigen Damen erlebt hatte, die geradezu panisch das Tageslicht scheuten. Herren dagegen, die zumindest ein wenig sportlich waren und gerne kutschierten oder ausritten, trugen stets eine gesunde Gesichtsfarbe zur Schau. Und so wie sie seine Künste auf dem Kutschbock erlebt hatte, gehörte er ganz sicher nicht zu der Sorte, die sich nur in einem geschlossenen Gefährt umherkutschieren ließen.
    »Ah, Durchlaucht, Sie haben sich über mich informiert.«
    Therese schauderte, als seine Fingerspitzen sie berührten. Sie waren so eisig wie in der Nacht zuvor.
    »Ich hatte ja genug Zeit dazu«, gab sie spitz zurück.
    Sein Lächeln vertiefte sich noch eine Spur. »Sie zürnen mir, weil ich nicht eher vorgesprochen habe?« Die Fürstin beließ es bei einer wegwerfenden Handbewegung.
    »Nun jedenfalls bin ich hier, Ihr gehorsamer Diener, und muss mich besorgt fragen, ob Sie nicht doch bei Ihrem kleinen Abenteuer Schaden genommen haben?«
    Obwohl an der Wahl seiner Worte nichts auszusetzen war, konnte sie in seiner Stimme nicht die Spur von Besorgnis erkennen. Nein, es klang eher ein wenig nach Spott.
    »Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?« Unwillkürlich fuhr ihre Hand zu dem von Puder sorgfältig bedeckten Kratzer an ihrer Wange.
    »Nein, nein, keine Sorge, Ihre Erscheinung ist makellos. Ich frage mich nur, ob Sie sich zu unwohl fühlen, um an diesem Abend einer Gesellschaft beizuwohnen.«
    »Hatten Sie gehofft, mich nicht anzutreffen, und wollten nur kurz Ihre Karte abgeben? Und nun stehle ich Ihnen völlig unerwartet Ihre kostbare Zeit«, sagte sie in bewusst sarkastischem Ton.
    »Es hätte mich nicht abgehalten, zu einem späteren Zeitpunkt wieder vorzusprechen, bis es mir vergönnt ist, Ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.«
    Wieder lauerte der Schalk hinter seinen Worten.
    Therese fühlte, wie sich Missmut in ihr auszubreiten begann. Und auf diesen Mann hatte sie den ganzen Tag ihre Gedanken verschwendet und gar die Gesellschaft bei den Trauttmannsdorfs abgesagt?
    Sie ärgerte sich am meisten über ihr eigenes Verhalten, das ihr nun plötzlich unangemessen kindisch erschien. Sie war Therese Josepha Kinsky! Eine Fürstin, bei Hof und in der Gesellschaft angesehen. Und er? Ein Graf aus Siebenbürgen, aus der Provinz, neu in Wien, und er wagte es, über sie zu spotten?
    Der Graf ließ seine dunklen Augen durch den Salon wandern. Sie hatte bewusst nicht den größten gewählt, ihn zu empfangen, doch wie alle Räume in diesem Trakt war auch dieser kostbar ausgestattet und mit ausgewählten Möbelstücken versehen. Dennoch hatte sie das Gefühl, er wäre gelangweilt. Konnte ihre Gestalt seinen Blick nicht länger fesseln?
    Nun gut, sie hatte die vierzig deutlich überschritten, und er war vielleicht dreißig oder höchstens fünfunddreißig. So genau konnte sie das nicht sagen. Seine Haut war rein und weiß ohne Falten oder andere Spuren des Lebens, unschuldig wie die eines Kindes, die Züge jedoch durchaus markant und männlich. Das Haar schimmerte in tiefem Schwarz, die Augen schienen ebenso dunkel. Er war von großer, schlanker Gestalt. Erfreulich groß, stellte die Fürstin fest, die es leider gewohnt war, auf Diplomaten und Offiziere herabsehen zu können, deren Wachstum sich irgendwann von der Höhe in die Breite verlagert hatte.
    Es wurde Zeit, dass sie ihn verabschiedete. Der Höflichkeit war Genüge getan, und er bemühte sich nicht, den Anstandsbesuch in die Länge zu ziehen. Erleichterung und Enttäuschung mischten sich, als sie ihm die Hand reichte. Sie hätte ihn gern gefragt, wann sie sich wiedersehen würden, doch ihr Stolz ließ sie die Worte zurückhalten. Außerdem zürnte sie ihm! Er würde sich ihre Gesellschaft erst verdienen müssen.
    Draußen vor der Tür erklangen Stimmen. War ihr Gatte etwa zurück, um sich für eine Abendgesellschaft

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