Das Herz der Nacht
nicht Graf Sedlnitzky und seine Zensur fürchten muss.« András Petru lächelte liebenswürdig, doch Therese fühlte noch das Erschrecken der eigenen Unschicklichkeit. Wie konnte ihr so etwas passieren?
»Ich bitte Sie, ersparen Sie mir die Peinlichkeit, diese Worte vernommen zu haben. Ich muss völlig vergessen haben, was sich schickt. Ich bin untröstlich!«
András Petru hob abwehrend die Hände. »Halten Sie ein, Durchlaucht! Zerstören Sie mit Ihren Beteuerungen nicht den erfrischenden Eindruck, der Sie von all den Damen der Gesellschaft unterscheidet, die ich seit meiner Rückkehr nach Wien getroffen habe.«
Therese betrachtete ihn misstrauisch. Er schien dies durchaus ernst zu meinen. Hielt er sie für leichtfertig? Er sollte spüren, dass man sich an ihr leicht die Zähne ausbeißen konnte! Sie war keine der leichtlebigen Adelsdamen, die sich von einem amourösen Abenteuer in das nächste stürzten, eine Spur von Skandalen hinter sich herziehend.
»Sie verwechseln mich, Graf«, sagte sie daher steif. »Mein Name ist weder Gräfin Caroline Szécheni noch Gräfin Gabriele Saurau!«
»Ah, la beauté coquette und la beauté du diable «, rief er aus. »Die wahren Heldinnen des großen Wiener Kongresses. Lange ist es her, dass in Wien so schön gefeiert und leichtfertig verschwendet wurde. Doch Sie tun den Damen Unrecht, wenn Sie ihnen diese Namen vorwerfen, die die Herren ihnen in der berauschenden Laune der Feste zugedacht haben. Fürstin Auersperg war in diesem Jahr die Favoritin des Zaren – er hat sich sogar ihretwegen duelliert – und Gräfin Zichy, la beauté céleste, die Auserwählte des Preußenkönigs, aber ich versichere Ihnen, es fiel kein Schatten auf ihre Tugend!«
»Sie sagen das gerade so, als seien Sie dabei gewesen«, wehrte Fürstin Kinsky ab. »Wie alt sind Sie? Falls Sie während des Kongresses in Wien weilten, können Sie kaum mehr als ein Knabe gewesen sein.«
Sie hielt inne. Es war sicher nicht klug, den Besucher darauf hinzuweisen, dass sie selbst in diesen Jahren durchaus bereits in dem Alter gewesen war, in dem sie an den Hofbällen, Maskeraden und Karussellen teilnehmen konnte.
András Petru neigte das Haupt, ohne die Vermutung zu bestätigen oder zu dementieren. Eine kleine Pause dehnte sich zwischen ihnen aus, in der Therese versonnen in der Vergangenheit weilte.
Der Butler trat ein. Er vermied es peinlichst, einen Blick auf die Bilder zu werfen, die noch immer ausgebreitet auf dem Tisch lagen. Auf einem Beistelltisch servierte er dunklen roten Wein, Cognac in einer kunstvoll geschliffenen Karaffe, dazu eine Schale mit kandierten Früchten und Konfekt sowie einige Scheiben Schinken, kalten Braten, geräucherten Fisch und einige andere Kleinigkeiten. Geräuschlos zog er sich wieder zurück und schloss die Tür.
»Bitte greifen Sie zu«, bot die Fürstin an und reichte ihm eines der Gläser, in denen der Wein in samtigem Rot schimmerte. Graf Báthory nahm es dankend entgegen, erwiderte den Toast und setzte das Glas an die Lippen. Während die Fürstin einen tiefen Schluck nahm, nippte er nur daran und stellte dann das Glas sofort zurück.
»Ist der Wein nicht nach Ihrem Geschmack?«
»Es ist ein wunderbarer ungarischer Tropfen, Durchlaucht. Sie haben keinen Grund, an der Qualität Ihres Kellers zu zweifeln. Doch wo waren wir stehen geblieben? Sie träumten von den rauschenden Festen des großen Kongresses!«
»Die sich unser Kaiser Franz eine ganz schöne Summe hat kosten lassen! Man spricht von zweiundzwanzig Millionen Gulden!«
»Aber ja, zum Wohle Europas, war es das nicht wert? Eine neue Weltordnung, nachdem der französische Emporkömmling endlich die Waffen gestreckt und sich nach Elba hatte verfrachten lassen. Das war es doch wohl wert! Und hat es dem Volk nicht auch Arbeit und Lohn gebracht? Die vielen schönen Gewänder für Bälle und Schlittenfahrten, die Kutschen und Blumen, wagenweise edle Stoffe als Dekoration für eine Ballnacht!«
Klang da ein wenig Sarkasmus mit?
»Ja, während des Kongresses lief alles ganz prächtig, und alle haben sich amüsiert. Hinterher musste eben die Zeche bezahlt werden. So ein kleiner Staatsbankrott! Das muss ein Volk schon einmal aushalten.«
Wieder dieser aufmerksame Blick in seinen Augen. »Es ist wirklich ein außergewöhnliches Vergnügen, mit Ihnen zu Plaudern, Durchlaucht.« Er hob das Glas, trank aber nicht.
»Nun, dann ist es jetzt sicher an der Zeit, sich dem aktuellen Hofklatsch zuzuwenden. Es wäre unhöflich,
Weitere Kostenlose Bücher