Das Herz der Nacht
nur von vergangenen Kaisern zu sprechen. Nein, ein paar Worte über unseren gütigen Kaiser Ferdinand wären sicher angebracht und über seinen Kutscher Metternich, der den Karren ganz nach Gutdünken lenkt, während unser Monarch der wichtigen Aufgabe nachgeht, seine Rosen zu pflegen und seine Sammlung ausgestopfter Exoten zu erweitern.«
»Sie mögen unseren Kaiser nicht besonders?«
Die Fürstin schüttelte heftig den Kopf. »Gott bewahre, nein, er ist der liebenswürdigste Monarch, der uns unterkommen konnte, nur leider keiner, der auch regiert. Dabei ist er durchaus nicht auf den Kopf gefallen, wie manch böse Zungen behaupten. Ich hatte selbst die Ehre, mich mit ihm zu unterhalten, und das war lehrreich und amüsant zugleich. Er ist von seiner Person durch und durch gütig und keiner, der sich nach der Macht der Krone verzehrt. Und somit ist er das Gegenteil seiner Schwägerin, der Erzherzogin Sophie. Bei ihr könnte man es genau andersherum formulieren. Meine Nichte gehört zum Staat des Prinzen, und ich bekomme recht häufig Berichte über seine Erziehung – wie sie es nennen.«
»Wie würden Sie es denn bezeichnen?«, fragte András Petru.
»Ich nenne es die perfekte Dressur, um ihren Franz Joseph Karl zu einem künftigen Kaiser zu formen – koste es, was es wolle. Ein Kaiser, der zu gehorchen gelernt hat und sich dem wohlmeinenden Rat der Mutter stets unterordnen wird. Sagte nicht einer unserer Monarchen einmal, er sei der erste Bürger, oder war es der erste Beamte seines Landes? Ich weiß es nicht mehr. In diesem Fall müsste man es umformulieren in den ersten Sohn des Landes. So wie ich Erzherzogin Sophie einschätze, wird ihr das jedenfalls gelingen. Ich sage Ihnen, es wird nicht mehr lange dauern, dann wird kaum mehr als sechzig Jahre nach Maria Theresia wieder eine Frau das Zepter in der Hofburg schwingen und all die wichtigen Männer zu ihren ausführenden Lakaien degradieren – auch wenn sie keine Krone auf dem Haupt trägt.«
»Und Franz Karl? Welche Rolle teilen Sie ihm zu?«, erkundigte sich Graf Báthory.
»Sophies lieber Ehegatte? Falls Ferdinand den Thron nicht durch seinen Tod zur Verfügung stellt, wird Franz Karl mit dem ehemaligen Kaiser Schach spielen oder den Hofgarten mit neuen Rosenzüchtungen beglücken – wenn er nicht gerade auf der Jagd ist, was seine einzige wahre Leidenschaft zu sein scheint.«
»Sie wissen, dass – sollte Ferdinand abdanken – sein Bruder Franz Karl der Thronfolger wäre?«
»Ein genauso fähiger Regent, wie wir ihn jetzt schon haben! Nein, das würde Sophie niemals zulassen. Ich sage Ihnen, es dauert keine zehn Jahre mehr, und der kleine Franz Joseph sitzt auf dem Kaiserthron. Auf einen eigenen Erben Ferdinands sollte lieber keiner hoffen.«
»Wir müssen dieses Gespräch ein andermal fortsetzen, liebste Fürstin. Unbedingt! Es wird mir eine große Freude sein, die Sie mir sicher nicht versagen. Ach – und noch einen Rat. Legen Sie die Bilder in die Mappe zurück.«
Er streifte ihre Hand mit den Fingerspitzen und war auch schon verschwunden. Verblüfft starrte ihm Therese nach. Sie konnte sich seinen plötzlichen Aufbruch nicht erklären. Ratlos trat sie unter die noch immer offene Tür. War er schon fort? Sie konnte keine Schritte auf der Treppe hören und auch nicht das Schlagen der Tür. Es war, als habe er sich in Luft aufgelöst.
3. Kapitel
Fürst Ferdinand Rudolf Kinsky
von Wchinitz und Tettau
Fürstin Therese Kinsky stand noch immer vor der offenen Tür des Frühstückszimmers und sann über das unvermittelte Verschwinden ihres Gastes nach, als ein Geräusch an ihr Ohr drang. Das Knirschen von Rädern im hinteren Hof bei den Stallungen und dann eine herrische Stimme, die sie aufseufzen ließ. Zweifellos war ihr Gemahl zurück, für keinen Hausbewohner zu überhören. Er musste, wie so oft, schlechter Laune sein, so wie er den Stallburschen anherrschte, der sicher nichts getan hatte, sich diesen Tonfall zu verdienen. Dann war der Kutscher an der Reihe und schließlich sein Kammerdiener, der ihm entgegeneilte.
»Sehr wohl, Durchlaucht«, hörte sie Jesko sagen. Ein Wunder, dass er sich noch keinen anderen Herrn gesucht hatte. Der einzige Vorteil an dieser Stellung war die gute und regelmäßige Bezahlung, was man nicht von allen hochadeligen Häusern behaupten konnte.
Die Schritte des Fürsten polterten die Treppe herauf. Therese trat ins Zimmer zurück. Ihre Hand zuckte nach den Drucken, doch dann zog sie sie unverrichteter Dinge
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