Das Herz der Nacht
wieder zurück. Sie wusste nicht, was sie trieb, diese Bilder ausgebreitet auf dem Tisch liegen zu lassen und auf die Reaktion ihres Gatten zu warten. Schlechter konnte seine Laune nicht werden. Oder doch? Ein unangenehmes Prickeln rann über ihren Nacken, doch da standerschon in der Tür und sah die Fürstin mit finsterer Miene an.
»Was ist? Was starrst du mich so an?«, sagte er in dem Tonfall, den er auch dem Stallburschen gegenüber angeschlagen hatte.
»Ich wohne hier, falls du das vergessen haben solltest«, gab Therese aufreizend liebenswürdig zurück.
»Warum bist du nicht bei den Trauttmannsdorfs?«
»Weil ich mich nicht wohl genug fühlte, zu dieser Gesellschaft zu gehen.«
Ein verächtlicher Zug huschte über das grobe rote Gesicht des Fürsten. »Ach, ich vergaß die Empfindlichkeiten der Weiber und ihre zarte Gesundheit.«
Sein Blick löste sich von seiner Gemahlin und wanderte zum Tisch, auf dem die erotischen Zeichnungen ausgebreitet lagen. Ein Ausdruck von Verblüffung huschte über sein Gesicht, als er näher trat und sie betrachtete.
»Hast du dir Anregungen besorgt, wie eine Frau einem Mann Lust bereiten kann? Das fällt dir aber spät ein.«
»Nein, diese Werke wurden für dich abgegeben. Ich habe sie für dich entgegengenommen und bezahlt.«
»So, so, und sie dir dabei genau betrachtet, nehme ich an.« Er trat zu ihr und umgriff ihr Handgelenk. »Und, steigt die Lust in dir auf? Hast du deshalb hier auf mich gewartet? Sollen wir die eine oder andere Stellung ausprobieren? Sieh dir die verzückten Gesichter der Mädchen an!«
»Ich wusste schon immer, dass Männer in ihrer eigenen Fantasiewelt leben oder einfach nicht recht hinsehen wollen. Der Realität kann dies zumindest nicht entsprechen.« Der Griff um ihren Arm wurde fester und schmerzte sie, aber Therese biss die Zähne zusammen.
»Du irrst dich, wenn du denkst, alle Frauen seien solche Verächter der Lust, wie du es bist. Es gibt durchaus begehrenswerte Frauen, die nicht abgeneigt sind!«
Therese versuchte ihren Arm zu befreien. »Das bezweifle ich nicht. Du hast es schon immer verstanden, deine Gunst zu verteilen.«
Der Fürst zuckte mit den Schultern. »Dir hat es an nichts gefehlt, und dennoch warst du nicht in der Lage, auch nur ein Kind zustande zu bringen. Und behaupte nun nicht, es läge an meiner Zeugungskraft! Ihren Beweis habe ich mehr als einmal erbracht.«
»Ich weiß! Und nun lass mich los, du bist widerlich!«
Ihr Gatte gab ihren Arm frei und trat zurück. »Nun inszeniere kein Drama. Ich habe nicht vor, dich hier auf den Boden zu werfen und mir mein eheliches Recht zu nehmen. Es hat seinen Reiz verloren, nachdem du mir nun keinen Erben mehr schenken kannst. Und für die Freuden des Fleisches gibt es jüngere und schönere Frauen.«
»Warum trennst du dich dann nicht von mir und nimmst dir eine andere?«, fauchte Therese.
Der Fürst seufzte. »Weil – wie du sehr wohl weißt – dein Vater mir eine Klausel im Ehevertrag untergeschoben hat, dass dies nicht als Scheidungsgrund gilt. Vermutlich wusste er bereits, was für ein faules Ei er mir andreht.«
Es fiel Therese schwer, die Haltung zu bewahren. Am liebsten hätte sie sich auf ihren Mann gestürzt und ihn mit Fingernägeln und Fäusten traktiert, doch sie mühte sich um einen gleichmütigen Gesichtsausdruck, zumindest bis sie das Zimmer verlassen hatte. Dann raffte sie die Röcke und eilte die Treppe hinunter in die erste Etage, in der sich die privaten Räume des Fürstenpaares befanden. Therese stürzte in ihr Schlafzimmer, schlug die Tür hinter sich zu und lehnte sich gegen das mit goldenen Schnitzereien verzierte Holz. Sie schloss die Augen und genoss für einige Augenblicke den Schutz ihres Gemachs, das ihr Gatte seit zwei Jahren nicht mehr betreten hatte. Therese rieb sich den schmerzenden Arm und schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel, dass Graf Báthory sie im rechten Augenblick verlassen hatte. Sie wäre vermutlich vor Scham im Boden versunken, hätte ihr Gatte diese Szene vor ihrem Besucher aufgeführt. Denn dass der Fürst sich in Gesellschaft zurücknehmen würde, dieser Illusion war sie schon lange beraubt.
Ja, das war noch einmal gut gegangen, dank eines freundlichen Zufalls des Schicksals. – Wenn es denn ein Zufall gewesen war, doch wie konnte es anders sein?
Die Glocke der Kirche des Schottenstifts schlug dreimal. Noch einmal umrundete András das Palais des Fürsten Kinsky. Nach und nach waren die Lichter hinter den Fenstern
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