Das Herz der Nacht
geworden ist, aber dennoch freut es mich, einem anständigen Mädchen vom Land geholfen zu haben.«
Sie beschlossen, an diesem Abend nicht das Theater aufzusuchen, sondern die Füchse einzuspannen und noch einmal mit dem Phaeton der Fürstin in den Prater zu fahren.
»Wer weiß, wann ich wieder die Gelegenheit bekomme, wenn Sie mit Ihrer Prophezeiung recht behalten und es in den nächsten Tagen zu schneien beginnt.«
»Der Schnee wird kommen«, bestätigte András in einem Ton, der keinen Zweifel offen ließ, und sie schien dies als gegeben hinzunehmen, ohne nachzufragen, wie er zu dieser Überzeugung gelangte.
»Gut, dann werde ich mich nun umkleiden. Ich bin sofort zurück!«
Trotz dieser Worte gab sich András nicht einen Augenblick der Illusion hin, »sofort« könnte weniger als eine Stunde bedeuten. Eine Fürstin schlüpfte nicht kurz in ein Kleid, das sie ohne die Hilfe einer Kammerfrau anlegen konnte. Nein, wenn sie das Haus verließ, dann war sie sorgfältig gekleidet und frisiert, Hut und Handschuhe farblich abgestimmt und der geplanten Unternehmung angemessen. Ihre Kammerfrau würde sie nicht aus den Gemächern entlassen, ehe nicht alles perfekt saß. Und wenn sie das Haar dreimal aufstecken und wieder lösen musste, bis der Spiegel ihr bestätigte, dass die gewünschte Wirkung erreicht war. Dann aber würde die Fürstin die ganze Nacht keinen Gedanken mehr an ihr Äußeres verschwenden. Nicht an den Kleidern herumzupfen oder einen verstohlenen Blick in einen Spiegel werfen, den sie zufällig passierte. Wenn sie ihr Gemach verließ, war sie sich und ihrer Wirkung sicher, und nichts konnte diese Überzeugung erschüttern. Das war es vielleicht, was die Frauen des alten Adels vom neuen Geldadel unterschied. Diese waren sich ihrer noch nicht sicher, und das neue Leben schien noch ein wenig ungewohnt, wie ein übergezogenes Kostüm für den Fasching.
Auch dieses Mal führte András die Zügel, bis sie den Donauarm überquert und die Leopoldvorstadt hinter sich gelassen hatten. Dann übernahm die Fürstin. András spürte, wie sich der Groom hinter ihnen verkrampfte. Hatte er bislang entspannt auf seinem schmalen Sitz hinter ihnen gesessen, so klammerte er sich nun so gut fest wie nur möglich. András schmunzelte.
»Therese, Sie müssen sich anstrengen. Noch haben Sie mit Ihren Fahrkünsten nicht alle Kritiker überzeugt.«
Die Fürstin antwortete nicht gleich. Sie legte konzentriert die Stirn in Falten und nahm dann behutsam die Zügel auf. Die vier Pferde zogen gleichmäßig an und fielen dann gemeinsam in einen flotten Trab.
»Das war für Ihre strengen Vorgaben noch immer nicht perfekt genug«, vermutete sie.
András schüttelte den Kopf. »Ich spreche nicht von mir. Ich finde, Sie machen ganz wunderbare Fortschritte. Sie haben eine gute Hand für Pferde.« Er ließ sie einen weiten Kreis über die Wiese fahren. »Achten Sie darauf, dass die Biegung gleichmäßig ist und die Pferde nicht an Geschwindigkeit verlieren.«
Therese nickte nur stumm, fuhr den Kreis zu Ende und bog wieder auf den Weg ein.
»Und nun galoppieren Sie an. Lassen Sie die Füchse richtig laufen, dort vorne an der Kreuzung aber halten Sie an. Die vordere Achse in der Mitte der Kreuzung!«
Vom hinteren Sitz erklang ein Stöhnen, während András, ohne sich festzuhalten, locker neben Therese auf seinem Sitz saß.
»Sehr gut!«, lobte er, als die Kutsche langsamer wurde und anhielt, ohne dass sie ins Schlingern geriet. Die Pferde standen da, ohne zu scharren oder die Köpfe hin und her zu werfen, bereit, den Wagen wieder anzuziehen.
»Und nun weiter im Trab bis zu diesem Busch dort vorn, dann eine Runde im ruhigen Galopp um die Baumgruppe herum und im Trab auf den Weg zurück.«
András spürte, wie die Verkrampfung des Grooms ein wenig nachließ. Als sie sich auf den Rückweg machten, hatte er seinen Klammergriff gelöst und saß beinahe entspannt auf seinem Sitz. Dieses Mal überließ András der Fürstin die Zügel, bis sie vor dem Tor zum Palais Kinsky vorfuhren. Die Einfahrt in den Hof würden sie vielleicht das nächste Mal versuchen. Noch ehe der Groom abstieg, war András schon am Boden und hob die Fürstin herunter. Wagen und Pferde überließ er dem sichtlich erleichterten Pferdeknecht.
»Sie haben sich sehr gut geschlagen, meine Liebe«, versicherte er, als er sie in die Halle führte. »Ich bin zuversichtlich, dass man zu Ostern nach der Praterfahrt nur über Sie und Ihr Gespann sprechen wird. Natürlich nur
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