Das Herz der Nacht
zum Besten und voller Lob und Bewunderung!«
Therese schüttelte den Kopf. »Das kann es gar nicht geben. Die Neider werden immer etwas finden, ihre Zungen zu wetzen.«
»Neid muss man sich erst einmal verdienen«, gab András zu bedenken. »Nur Mitleid bekommt man ab und zu geschenkt.«
»Wie weise gesprochen, mein Freund.« Vertrauensvoll schob sie ihre Hand in seine Armbeuge und ließ sich die Treppe hinaufführen.
»Durchlaucht, da sind Sie ja!« Der Butler tauchte oben an der Balustrade auf.
»Aber ja, und ehe du fragst, wir sind wohlauf!« Sie wandte sich in scherzhaftem Ton an ihren Begleiter. »Anscheinend traut mir niemand außer Ihnen zu, dass ich mit meinen Pferden zurechtkomme. Ich glaube, ich habe nun Grund, ein wenig beleidigt zu sein!«
András sah zu dem Butler hinauf, dessen Anspannung fast greifbar war. Nein, diese Nervosität war nicht der Sorge um seine Herrin geschuldet – zumindest nicht der, dass sie mit ihrem Wagen einen Unfall erlitten habe. Er öffnete tonlos den Mund und schloss ihn wieder. Was sollte er sagen, um das Unheil, das sich dort oben zusammenbraute, zu verhindern? Er sah András beinahe flehend an. Der Vampir verstand wohl, was der Butler ihm ohne Worte zu sagen versuchte, doch er hatte sich noch nicht entschieden, ob es wirklich das Beste war, dieser Bitte nachzukommen.
Und dann war es zu spät. Der Fürst trat aus dem Salon, gerade als sie die letzten Treppenstufen erklommen.
»Ihre Durchlaucht ist von ihrer Ausfahrt zurück«, meldete der Butler mit unsicherer Stimme. »Darf ich noch etwas für Sie tun?« Sein Blick huschte unstet zwischen seinem Herrn und der Herrin hin und her.
Ehe Therese etwas sagen konnte, schickte der Fürst ihn mit barschen Worten davon.
Therese warf ihrem Mann einen vorwurfsvollen Blick zu. Noch zeigte sie keine Furcht. Spürte sie nicht, in welch gefährlicher Stimmung er war, oder war sie noch unerschrockener als András sie bereits kennengelernt hatte?
Thereses Hand lag noch immer in András’ Armbeuge, als sie mit ihm auf den Fürsten zutrat.
»Wollen wir nicht in den Salon gehen? Oder hast du vor, hier auf dem Treppenabsatz stehen zu bleiben?«
Ein Hauch von Ärger schwang in ihrer Stimme, und ihre Finger umschlossen seinen Arm ein wenig fester. Sie wusste also, welches Spiel sie trieb und vielleicht auch, wie es ausgehen konnte.
Fürst Kinsky rührte sich nicht von der Stelle. Nur seine Gesichtsfarbe vertiefte sich. András fixierte ihn, doch der Fürst war kein Mann, der sich leicht einschüchtern ließ. Als er antwortete, war seine Stimme leise, doch die Aussprache von schwerem Wein getrübt und mit einem leichten Zittern seiner unterdrückten Wut. Das waren keine guten Vorzeichen.
»Wo kommst du her? Um diese Zeit! Sagtest du nicht, du würdest ins Theater gehen? Ich war dort, aber unsere Loge blieb leer! Kannst du mir das erklären?«
Therese ließ seinen Arm los und trat forsch auf ihren Gatten zu. »Ja, ich plante mit Graf Báthory die Vorstellung zu besuchen, aber dann habe ich es mir anders überlegt. Ich hätte dir Bescheid gesagt, wenn du noch hier gewesen wärst.«
»Und willst du mir verraten, wohin du dich stattdessen mit ihm zurückgezogen hast?« Er wuchs noch ein Stückchen, und seine Stimme wurde drohend. Therese blieb ruhig. Ja, sie sprach nun mit einer Kälte, die in krassem Gegensatz zu der heißen Wut des Fürsten stand. Auch sie reckte sich und war nun deutlich größer als ihr Gatte, was diesem nicht gefallen konnte.
»Ich habe mich nirgendshin zurückgezogen. Ich bin mit meinem Phaeton ausgefahren, um meinen Viererzug weiter abzustimmen, und habe von Graf Báthorys Erfahrung mit Pferden gelernt. Also unterlass diese ordinären Unterstellungen und entsinne dich wenigstens einer Spur von Erziehung und Höflichkeit! Gib die Tür frei und lass mich mit meinem Gast eintreten.«
András unterdrückte den Impuls, die Fürstin hinter seinen Rücken zu schieben. Um sie vor ihrem eigenen Mann in Sicherheit zu bringen? Was für eine sinnlose Geste, die seinen Zorn nur weiter anstacheln würde.
Und außerdem, was gingen ihn die Streitereien der Menschen an? Es bereitete ihm schon Kopfzerbrechen, dass er sich plötzlich so sehr auf Menschen einließ, dass deren Schicksale ihn zu bewegen begannen. Bisher waren sie höchstens Studienobjekte für den Vampir gewesen, die man interessiert beobachtet und dann vergisst, um zum nächsten überzugehen.
Eine Folge von Jahrhunderten geprägt von Einsamkeit? Ein Anzeichen
Weitere Kostenlose Bücher