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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Für einen Augenblick stieg ein seltsames Gefühl der Unruhe in András auf. Ja, dieser Mann hatte einen hellen Verstand und wachsame Sinne. Anders als seine Untergebenen. Ihn lohnte es im Auge zu behalten. Wenn ihm von einer Seite Ärger drohte, dann von dem k.k. Polizeikommissär Hofbauer, davon war András überzeugt.
    Goran half ihm beim Umziehen, ehe er sich auf den Weg machte. Er ließ seinen Diener im Palais zurück und schärfte ihm ein, seine Augen und Ohren offen zu halten.
    »Ich möchte nicht wieder solch eine unliebsame Überraschung vorfinden, wenn ich zurückkomme!«
    Goran nickte ernst und fasste sich an seinen Gürtel, an dem sein eigener Dolch mit den beiden scharfen Klingen steckte.
    »Handle überlegt!«, schärfte ihm András ein, ehe er auf die Straße trat. »Nicht dass du im Übereifer an einem unschuldigen Passanten eine Bluttat verübst.«
    Goran verneigte sich stumm, aber András spürte, dass er ihn gekränkt hatte. Er unterließ es, darauf einzugehen. Es war zuweilen ganz hilfreich, den heißblütigen Zigeuner im Eifer seiner Pflichterfüllung zu mäßigen und ihn daran zu erinnern, dass sie hier in Wien waren und nicht mehr in den wilden Bergen der Karpaten.
    »András, mein Freund!«, rief die Fürstin, als ihr Butler den Grafen meldete. »Setzen Sie sich. Was kann ich Ihnen bringen lassen? Nichts? Wie immer. Sie enttäuschen mich. Es ist nicht recht, dass Sie meine Gastfreundschaft zurückweisen.« Sie zog einen Schmollmund. »Man könnte meinen, Sie leben nur von Luft und Liebe.«
    »Ja, so ähnlich könnte man sagen«, hauchte er, als er sich über ihre Hand beugte.
    Therese lächelte. »Ich weiß nicht, wie Sie das machen, aber sobald Sie in meiner Nähe sind, weht ein Frühlingshauch durch meine Seele.«
    »Laue Frühlingsluft? Therese, nein!«, protestierte der Graf mit einem schalkhaften Lächeln. »Es wird Schnee geben, zum Glück, damit Sie Schlitten fahren können!«
    Die Fürstin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn für das Karussell nicht genug Schnee auf den Straßen liegt, dann lässt der Hof ihn mit Karren von den umliegenden Bergen heranschaffen. Das wäre nicht das erste Mal. Das Spektakel muss stattfinden. Und es wird prächtig werden!« Ihre Augen funkelten in ihrer Vorfreude wie Edelsteine.
    »Ja, das ist natürlich äußerst wichtig für Wien, für Österreich oder für die ganze Welt? Das sehen die Wiener bestimmt ein. Ich meine, für so ein Spektakel darf kein Aufwand gescheut werden, und keine Kosten könnten zu hoch sein.«
    Das Funkeln erlosch. »András, mein Freund, warum lassen Sie mir nicht meine bunte Seifenblase, die mir den Blick auf das Elend draußen trübt. Man kann aus ihrem Innern nämlich kaum über den Hofbezirk und die Herrengasse hinaussehen, und ganz sicher nicht bis zum Elend in den Vorstädten, wo sich die Arbeiter in ihren Quartieren drängen. Hat nicht wieder eine Spinnerei Bankrott gemacht und Hunderte Arbeiterinnen entlassen, die nun nicht wissen, wie ihre Kinder satt werden sollen?« Sie war plötzlich so ernsthaft, dass der Blick ihn ein wenig an Karoline erinnerte. Nein, wenn man nur ihren Lebenshunger und ihre Freude an Schönheit und Vergnügen sah, kannte man nur einen Teil der Fürstin.
    András griff nach ihren Händen und küsste sie. »Ich weiß, liebe Therese, dass Ihre Nächte dem Vergnügen gehören, doch am Tag sind Sie als Engel der Armen unermüdlich.«
    Die Fürstin entzog ihm ihre Hände und sagte ein wenig wegwerfend. »Nun übertreiben Sie mal nicht so, mein werter Freund. Für einen Engel fehlen mir noch viele Federn an meinen Flügeln. Außerdem ist das Dasein eines Engels sicher schrecklich langweilig und ermüdend. Immer nur Gutes tun!«
    »Und Ihr neuer Wohltätigkeitsverein zur Förderung der Arbeitssuchenden, um vor allem Frauen in Stellungen zu vermitteln?«
    Therese strahlte. »Das ist eine gute Sache, nicht? Ich werde nicht müde, auf unseren leichtfertigen Veranstaltungen der noblen Gesellschaft um Unterstützung zu werben. Ich setze darauf, dass die Herren und Damen des Adels lieber nichts von der Not hören wollen und mich so schnell wie möglich loszuwerden versuchen, um ihren Abend zu genießen. Tja, und sobald ich Ihnen vermittelt habe, dass sie mich am schnellsten los sind, wenn sie mir Unterstützung zusagen, ist der Sieg mein! Übrigens, die erste Stelle, die ich vermitteln konnte, war bei Karoline Pichler. Ich will zwar nicht daran denken, auf welch schreckliche Weise diese Stelle frei

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