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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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einmal.«
    Sie übten die Passagen noch ein halbes Dutzend Mal, ehe András die Hände von den Tasten nahm. Er hätte die ganze Nacht weitermachen können, wobei der Blutdurst seiner Konzentration zunehmend abträglich war. Dass neben ihm nicht nur eine Künstlerin saß, sondern eine junge Frau mit frischem, warmem Blut, drängte sich in sein Bewusstsein.
    Sophie gähnte und rutschte in ihrem Sessel in sich zusammen. Vielleicht war es an der Zeit, die Stunde zu beenden.
    »Das Kind sollte schlafen gehen«, sagte András. Er spürte Karolines schlechtes Gewissen, als sie zu Sophie trat. Nicht so sehr, weil das Kind zu dieser Zeit noch nicht in seinem Bett lag. Viel mehr, weil sie es in den Stunden völlig vergessen hatte. Wenn sie spielte oder der Musik lauschte, dann war in ihrem Geist und in ihrer Seele für nichts anderes mehr Raum. Nicht einmal für ihre Tochter. Und dafür schämte sie sich nun.
    War ihr deshalb jede Leichtigkeit verloren gegangen? Weil sie sich in solchen Momenten als schlechte Mutter fühlte und sich selbst dafür strafte, indem sie sich ihre eigene Lebensfreude austrieb, die sie nun nicht mehr verdient haben sollte?
    Welch schwieriger Charakter. Welch interessante, verfahrene Situation!
    András begleitete Mutter und Tochter ins Vestibül hinunter.Karoline bedankte sich und reichte ihm zum Abschied die Hand.
    »Ich werde Sie natürlich begleiten!«, widersprach er.
    »Graf Báthory, zu viel der Ehre! Das wird nicht nötig sein.«
    »Dann rufe ich Ihnen einen Wagen.«
    »Aber nein, es ist doch nur ein kurzes Stück. Sie müssen sich nicht bemühen!«
    Er sah sie an, gewohnt, dass die Menschen unter diesem Blick sofort nachgaben, aber Karoline hielt ihm stand. Sie warf den Kopf in den Nacken und reckte das Kinn. András runzelte die Stirn. Es wäre nur erklärlich, wenn er nun Ärger verspürte, stattdessen musste er lachen.
    »Fräulein Wallberg, es ist mir ein Rätsel, wie Ihr Vater es so lange geschafft hat, Sie am kurzen Zügel zu führen.«
    Die Uhr in der Halle schlug. Karoline erschrak. »Oh, wie spät ist es denn? Wir haben völlig die Zeit vergessen und müssen uns beeilen. Nicht dass Carl vor uns daheim ist.«
    Sie schlüpfte in ihren schon etwas abgewetzten Umhang, den Goran ihr hinhielt, und griff nach Sophies Hand. Der Diener trat ans Tor und öffnete es mit einer Verbeugung, doch ehe Karoline und ihre Tochter hindurchgehen konnten, schlug er die Tür wieder zu. Die Wucht, mit der sie ins Schloss fiel, entlud sich in einem Dröhnen, das durch Halle und Hof schallte.
    »Goran! Was ist das für ein Benehmen?«, rief András zornig, bis der Diener ihm sein Antlitz zuwandte. Es war totenbleich, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. András reagierte sofort. Er schlüpfte an den beiden Wallbergs vorbei durch die Tür. Er brauchte nur einen Augenblick, um die Situation zu erfassen. Auf seiner Schwelle lag etwas, das ganz sicher nicht hierher gehörte. Es war eine menschliche Hand, die den Griff eines Messers umklammert hielt. Noch immer sickerte Blut aus dem Stumpf, wo sie brutal vom Leib getrennt worden war. András bückte sich. Der Blutgeruch hüllte ihn betäubend ein. Es war die Hand einer Frau. Hatte sie noch gelebt, als ihr Peiniger ihr die Hand abgeschlagen hatte? Zumindest war sich András sicher zu wissen, wer noch vor wenigen Tagen Besitzer dieses Messers gewesen war! Das viele Blut auf seiner Schwelle stammte allerdings nicht nur von dieser Hand. Der Überbringer der Botschaft hatte sich nicht gescheut, noch ein wenig mehr Blut über seine Schwelle zu gießen.
    »Goran, kümmere dich darum. Rasch!«
    Nur einen Augenblick später war András wieder in der Halle, zog Karolines Arm über den seinen und dirigierte sie zurück zur Treppe.
    »Wir gehen gleich, entschuldigen Sie, aber einen Moment Ihrer Zeit müssen Sie mir noch geben. Ich möchte, dass Sie bis zum nächsten Mal das eine Thema für mich ausbauen – zu einem kleinen Rondo vielleicht? Bitte, seien Sie so freundlich. Sie würden mir eine große Freude bereiten. Nehmen Sie das Notenblatt doch einfach mit. Dann wissen Sie, welche Melodie es ist, die mir nicht aus dem Kopf gehen will.«
    Während er sie mit dieser Flut von Worten überschüttete, warf er Goran einen vielsagenden Blick zu. Der nickte und wartete wie der Torwächter zur Hölle vor dem geschlossenen Portal, bis sie auf der Treppe außer Sicht waren. Zum Glück hielt Karoline Sophie noch immer an der Hand, so dass das Mädchen mit ihnen kam. Er spürte

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