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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Karolines verwunderten Blick auf sich. Natürlich konnte sie sich auf sein so plötzlich verändertes Verhalten keinen Reim machen. Noch deutlicher konnte er Sophies Gedanken auffangen. Während die Mutter nur verwirrt war, stand Sophies Misstrauen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ein wenig besorgt beobachtete er, wie sich der anfängliche Verdacht des Mädchens in Überzeugung wandelte.
    »Der Tod sucht seinesgleichen«, murmelte sie, als sie die Treppe wieder hinunterstiegen. Zum Glück war Karoline zu sehr in das Notenblatt vertieft, um der Bemerkung Beachtung zu schenken. Von Goran war nichts zu sehen. Hoffentlich hatte er seine Aufgabe erfüllt!
    András führte die beiden Wallbergs zügig zum Tor und dann ohne anzuhalten auf die Straße hinaus. Der Blutgeruch war überwältigend – jedenfalls für einen Vampir. Die beiden Menschen sollten nichts bemerken.
    Zumindest bei dem älteren der beiden Fräulein Wallbergs traf dies zu. Sophie dagegen zog die Nase kraus und murmelte: »Blut, es ist der Geruch von Blut und Tod, ganz frisch, nicht so wie in der Gruft drunten.«
    Ihr Kopf ruckte nach oben, und sie richtete die blicklosen Augen vage in seine Richtung.
    »Sie sollten mich einmal in die Michaelergruft begleiten, Graf Báthory. Man kann sie selbst von der Straße aus riechen. Wenn jetzt gleich der Geruch der Pferde rechts von uns abklingt, dann steigen die Gerüche aus der Gruft herauf, obwohl sich die Sargrutsche auf der anderen Seite befindet. Pater Antonius hat mich schon oft in die Gruft mitgenommen.«
    »Sophie! Nun ist es aber genug mit deinem Gerede über Tod und Blut und den Geruch von Leichen! Das ist ja schrecklich. Wie kannst du Graf Báthory mit solchen Dingen belästigen.«
    »Ich unterhalte mich nur mit ihm«, begehrte das Mädchen auf. »Er kann mir ja sagen, wenn ihm das Thema nicht gefällt. Ich finde es faszinierend!«
    Sie erreichten die Eingangstür zum Michaelerhaus. Karoline zog einen Schlüssel hervor, denn wie jedes Zinshaus der Stadt, wurde die Tür im Winter um neun Uhr verschlossen. So hatte es die Hofkanzlei verfügt. Während Karoline sich am Schloss zu schaffen machte, beugte sich András zu dem Mädchen hinab.
    »Ich finde diese Themen auch sehr faszinierend, und vielleicht werden wir eines Tages zusammen die Gruft aufsuchen. Wer weiß, was wir dort unten alles finden. Dinge, die Menschen mit den Augen sehen, und welche, die sie nicht sehen können, die aber manche von ihnen mit anderen Sinnen wahrnehmen.«
    »So wie ich heute den Tod vor Ihrem Haus wahrgenommen habe?«
    »Ja, so ähnlich. Du siehst mehr als Menschen, die meinen sehen zu können. Lass dich von ihnen nicht verwirren! Du solltest immer an das glauben, was deine Sinne dir erzählen.«
    »Und, erzählen Sie mir, was vorhin vor Ihrem Haus geschehen ist?«, forderte ihn Sophie auf.
    András schüttelte den Kopf. »Nein, kleines Fräulein Wallberg, nicht heute. Vielleicht später einmal. Nun ist es Zeit, Lebewohl zu sagen und eine gesegnete Nacht zu wüschen.«
    Er wartete gerade lange genug, bis die Tür hinter Mutter und Tochter ins Schloss fiel, dann machte er auf dem Absatz kehrt und flog nahezu zu seinem Palais zurück. Ein verschlafener Fiaker auf seinem Kutschbock rieb sich verwirrt die Augen, so schnell huschte der Schatten an ihm vorbei. Nur die Reaktion seiner beiden Pferde hätte ihm einen Hinweis darauf geben können, dass er nicht nur geträumt hatte.

 
    15. Kapitel
    Blut und Verlangen
    Es wurde Abend, die Dämmerung senkte sich herab. András warf den Deckel ab und sprang aus dem Sarg. Geduckt stand er da und sog prüfend die Luft ein. Nein, es war nichts Außergewöhnliches zu wittern. Seine Muskeln entspannten sich. Er öffnete den Riegel, den er im Innern der Kammer hatte anbringen lassen, und rief nach Goran. Der Diener stand augenblicklich in der Tür zu dem prächtigen Gemach, das der Graf nie benutzte. Vermutlich hatte er direkt hinter der Tür auf das Erwachen seines Herrn gewartet.
    »Ist etwas vorgefallen?«
    Goran schüttelte den Kopf. Noch in der Nacht hatte er alle Spuren ihres makaberen Geschenks ausgelöscht, so dass kein Mensch mehr das Blut auch nur erahnen konnte. Außer vielleicht Sophie, dachte András und hoffte, die Kriminalpolizei würde nicht auf den Gedanken kommen, das blinde Mädchen zu befragen. Doch so, wie er die Beamten der Polizei einschätzte, bestand diese Gefahr nicht. Der Einzige, dessen Geist auch mal ungewohnte Wege beschritt, war dieser Kommissär Hofbauer.

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