Das Herz der Puppe (German Edition)
Zimmer und draußen auf dem gang auch immer eine kleine Lampe, damit sie nachts den Weg zur Toilette finden konnte, ohne vor Angst zu schlottern.
Wenn sie dann mitten in der Nacht aufstand, nahm sie ein Lineal, das neben ihrem Bett lag, und klopfte gegen Tür, Schrank und Wände, damit sich alle Monster und Einbrecher, Ungeheuer und geister verzogen, bevor sie die Tür zum gang aufmachte. Draußen klopfte sie dann bis zur Toilette gegen die Wand.
»Was klopfst du denn mitten in der Nacht?«, hatte die Mutter anfangs noch gerufen, wenn sie von dem Lärm aufgewacht war, und manchmal war sie sogar auf den gang herausgekommen.
»Ich will keine Einbrecher und Ungeheuer sehen. Sie sollen sich verziehen, bis ich wieder in meinem Zimmer bin«, hatte Nina ihr erklärt.
Es war nichts zu machen, und inzwischen stand die Mutter schon lange nicht mehr auf, wenn sie das Klopfen hörte. Ninas Vater bekam von alldem sowieso nie etwas mit, denn wenn er schlief, verwandelte er sich in einen Stein, und Steine wachen nicht wegen jedem mickrigen Klopfen auf.
Nein, die Dunkelheit war nichts für Nina! Und auch ihre neue Freundin Lulu, die sonst sehr mutig war, hatte fürchterliche Angst vor der Nacht. Manchmal redeten sie darüber und fanden es schade, dass keine der anderen beistehen konnte.
Nina wäre gern mal allein in den Keller gegangen, doch sie schaffte es immer nur bis zur großen Tür im Erdgeschoss, die zum Keller führte. Dort legte sie das Ohr an das kalte Metall und lauschte den merkwürdigen geräuschen, die von unten heraufkamen. Bestimmt veranstalteten die geister dort unten einen Ball und warteten bloß darauf, sie als feines Häppchen zwischendurch verspeisen zu können.
Der Keller war groß und hatte sechs voneinander abgetrennte Abteile, für jede Familie im Haus eines. Durch die gitter der Türen war alles zu sehen, was sich bei den Nachbarn angesammelt hatte: herrliche Sachen, als wäre der Keller ein immerwährender Flohmarkt.
Aber Nina wagte sich nur mit ihrer Mutter hinunter, wenn die etwas abstellen oder heraufholen wollte, und die Mutter selbst hatte es leider immer eilig, wieder nach oben zu kommen.
Gern wäre Nina auch einmal nachts durch den nahen Park spaziert, um die Sterne und den Mond anzuschauen, aber sie fürchtete sich viel zu sehr vor den nächtlichen geräuschen dort. Einmal waren sie und ihre Mutter nach einem Besuch bei Freunden später als sonst durch den Park gegangen, und überall hatte es geschnarcht, gekratzt, gerasselt und gefaucht. Ein paarmal sah Nina sogar, wie sich im Dunkeln etwas bewegte. Sie war richtig froh, als sie heil in ihrem Zimmer ankam. Und ihre Mutter war es auch.
Aber als Nina Widu davon erzählte, lachte die Puppe nur. »Meine kleine Prinzessin, du hast vielleicht eine blühende Fantasie! Wenn für jedes Mädchen und jeden Jungen so viele Ungeheuer und geister herumstünden, wie du glaubst, würde es auf der Erde ganz schön eng.«
Nina wurde wütend, als Widu gleich noch einmal und noch lauter lachte.
»Du bist gemein«, sagte sie.
»Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht verletzen«, sagte Widu, und ihre Stimme klang dabei so zärtlich, dass sie Nina versöhnlich stimmte. Und dann machte Widu einen Vorschlag: »Komm, lass uns zusammen in den Keller gehen!«
Nina zögerte nur eine Sekunde, dann schlichen sie aus der Wohnung. Ninas Mutter war nicht da, deshalb nahm Nina den Wohnungsschlüssel mit. Als sie die große Kellertür erreichten, legte Nina das Ohr an die Tür, und wie jedes Mal hörte sie die fürchterlichen geräusche. Nur hatte sie diesmal keine Angst.
»Lass mich mal hören!«, sagte Widu, die genüsslich kaute.
Nina drückte Widus Ohr gegen die Tür, und nach einer Weile sagte die Puppe: »Das ist der Wind, der durch den kleinen Lüftungsschacht in den Keller pfeift, logisch. Komm, lass uns nachsehen!«
Nina öffnete die Tür, und genau da kreischte ein geist so laut, dass sie zusammenfuhr. Aber sie spürte immer noch keine Angst.
»Ein geist«, sagte sie.
»Nein, die Tür braucht nur einen Tropfen Öl, damit sie nicht mehr so quietscht«, widersprach Widu.
Dann gingen sie die Kellertreppe hinunter. Nina suchte ganz ruhig den Lichtschalter, knipste das Licht an, und schon konnte sie all die schönen angesammelten Sachen bewundern.
»Schau, was für schöne Rollschuhe!«, sagte Widu.
»Die sind noch von meiner Oma, glaube ich«, antwortete Nina. »Heute fahren alle mit Inlinern, aber ich mag sie nicht.«
»Und das hier? Oh, ist
Weitere Kostenlose Bücher