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Das Herz der Puppe

Das Herz der Puppe

Titel: Das Herz der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Autorin heißt Widu«, fuhr Nina fort. »Eine Fliege stritt einmal mit einem Elefanten, wer besser sei. Die Fliege sagte: ›Klein ist fein, und dumm ist bloß groß!‹ Der Elefant war ein angeketteter Zirkuselefant. Trotzig sagte er, er sei allemal stärker als zehn Millionen Fliegen. Dann schlug er mit dem Rüssel nach der Fliege, aber die flog schnell auf und lachte. Seine Stärke sei nur leider nutzlos, sagte sie, weil er nämlich nur dorthin gehen könne, wo der kleine Zirkusjunge ihn hinführe, das beobachte sie schon die ganze Zeit. Was nütze ihm seine größe, wenn er nach der Pfeife eines kleinen Jungen tanzen müsse. ›Oder kannst du vielleicht was gegen deine Ketten tun?‹, fragte sie.
    Der Elefant schüttelte traurig den Kopf. Er erinnerte sich nur zu gut an die Schmerzen, als er einmal mit aller Kraft daran gezogen hatte.
    ›Dann bist du auch noch so groß, dass du nicht fliegen kannst. Wie schade für dich, Dickhaut! Schau mich an!‹, rief die Fliege stolz. ›Ich fliege frei und leicht hierhin und dorthin und kann, wann immer ich will, auf den Kopf des stärksten Löwen scheißen. Hörst du, Schlauchnase? Wenn ich will, kann ich auf den Kopf des Löw…‹
    Die gute konnte den Satz leider nicht zu Ende sprechen, denn eine Schwalbe war schneller als ein Wimpernschlag, schnappte sich die Fliege und segelte davon.
    ›Mich‹, sagte der Elefant, ›kann wenigstens keine Schwalbe schnappen.‹«
    Beim Erzählen hatte Nina Seite für Seite umgeblättert, und jetzt war das Buch fast wieder voll. Nur die letzte Seite war noch leer, und zu Ninas Füßen lag noch ein winziges schwarzes Häufchen.
    »Und was nun?«, fragte Nina.
    »Du hast noch eine Kleinigkeit vergessen – denk nach!«, antwortete Widu.
    Nina brauchte eine Weile, dann fiel es ihr wieder ein: »Der Schluss fehlt noch«, rief sie. »Seit diesem Tag mag der Elefant keine Fliegen, und wo immer er eine sieht, nimmt er Wasser in seinen Rüssel, spritzt sie mit Vergnügen nass und ruft: ›Ihr, Schwalben kommt herbei, ich wasche euch euer Mittagessen!‹«
    Das n war es, das als letzter Buchstabe auf die Seite flog. Es landete genau dort, wo es hingehörte, neben dem e. Danach kam nur noch das Ausrufezeichen.
    Und Nina wachte erleichtert auf.
    »Guten Morgen«, sagte sie lächelnd zu Widu. »Heute Nacht haben wir zusammen ein schönes Buch geschrieben.«
     
     

Im Jetzt wohnen
    An einem Mittwoch im Sommer spielte Nina mit Widu und Plums. Wolke, das Schaf, tollte mit Mauli, dem Nilpferd, herum, und der Papagei krächzte immer nur dazwischen. »Du, du, du bist ein Kakadu!«, rief er und lachte frech, aber die anderen hörten ihn gar nicht mehr. Allen ging es gut, aber irgendwann merkte Widu, dass Nina nicht so fröhlich war wie sonst.
    »Warum bist du so traurig?«, wollte die Puppe wissen.
    »Gestern ist meine Freundin Linda in der Schule schlimm hingefallen, und sie musste ins Krankenhaus.«
    »›Gestern heißt eine Zeit, die zu Ende ist‹, hat mal ein kluges Mädchen zu mir gesagt, und ich glaube, das warst du. Warum bist du dann wegen etwas traurig, was vorbei ist?«
    »Stimmt, die Zeit ist vorbei, aber meine Trauer nicht. Sie sitzt hier«, sagte Nina und klopfte sich mit der Hand auf die Brust.
    »Tut dir der Magen weh?«, fragte Widu.
    »Da hilft nur Furzen«, rief Mauli und kehrte lachend zu seinem Spiel mit Wolke zurück.
    »Nein, nein, nicht der Magen. Hier in der Brust tut es weh«, sagte Nina und musste lächeln, weil es war, als würde Widu wieder die schwerhörige Frau Doktor spielen.
    Für eine Weile ging es Nina danach besser, doch nach dem Abendessen war sie erneut traurig.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte Widu.
    »Morgen haben wir Sport. Mein Magen zwickt jetzt schon, wenn ich nur daran denke.«
    Nina hasste kaum etwas in der Schule so sehr wie Sport. Seit der ersten Klasse mochte sie weder Wettrennen noch Turnen noch Ballspiele. Lieber wollte sie ruhig dasitzen und zuschauen, wie die anderen herumsprangen, aber das erlaubte Frau Schramm, die Sportlehrerin, nicht. »Nina, schlaf, wo du willst, aber nicht in der Sportstunde!«, sagte sie immer. Zweimal in der Woche hatten sie das scheußliche Fach, am Montag und am Donnerstag, und am liebsten wäre Nina an beiden Tagen krank gewesen. Wenn sie morgens in die Küche kam und jammerte, sie habe bestimmt Fieber und ihr tue alles weh, dann wusste die Mutter, es war Montag oder Donnerstag.
    »Ist es so schlimm?«, fragte Widu.
    »Noch viel schlimmer«, sagte Nina.
    Und

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