Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Titel: Das Herz der Savanne - Afrika-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Wellblechkaten schleppten, über den Schultern oft noch ein Joch mit zwei Wassereimern. Nur an manchen Ecken verkauften alte schwarze Frauen ein wenig Gemüse, andere hatten ihre Kochstellen ins Freie geräumt und boten kleine Gerichte an.
    Horatio hasste Katutura, wie es jeder Schwarze tat. Er selbst war noch in der Old location aufgewachsen, doch auch seine Familie lebte nun in einem der winzigen Häuser mit einem großen N neben der Tür.
    Es war dunkel, als er endlich an diese Tür klopfte.
    Seine Mutter öffnete ihm, nahm ihn kurz in die Arme, doch Horatio spürte, dass selbst in dieser Umarmung eine Zurückweisung lag.
    »Was ist?«, fragte er.
    Die Mutter schüttelte den Kopf, besah sein weißes Hemd, die neuen Lederschuhe. »Siehst aus wie ein Weißer.«
    Horatio zuckte mit den Schultern. »Ich habe euch Käse mitgebracht. Und Fleisch. Sag einem der Brüder, dass er den Wagen ausladen soll. Ich muss noch einmal weg. Der Dodge kann nicht hierbleiben. Sonst finde ich morgen früh nicht einmal mehr einen Rückspiegel vor.«
    Die Mutter sog die Luft hörbar ein. »Um das Auto geht es dir also.«
    »Es gehört mir nicht, Mutter.«
    »Dein Bruder wird darin schlafen, wenn es sein muss. Also kannst du bleiben. Hast du gegessen?«
    Horatio wollte verneinen, doch da stieg ihm der Geruch der schwarzen Bohnen in die Nase. Schwarze Bohnen. Er hatte genug für sein ganzes Leben davon gegessen. »Danke, Mutter. Ich bin nicht hungrig.«
    »Du bist noch immer so schmal. Füttert sie dich nicht gut, deine Weiße?« Die Stimme der Mutter klang ein wenig hämisch.
    »Sie kocht nicht. Sie ist Farmerin. Das habe ich dir schon erzählt. Sie arbeitet den ganzen Tag. Und ein Kind haben wir mittlerweile auch.«
    Seine Mutter verzog das Gesicht vor Widerwillen. »Ein Kind?«, fragte sie. »Pfft! Ein Kind. Ein Kind! Wo soll das so schnell herkommen? Und was soll das überhaupt für ein Kind sein, hä? Nicht schwarz, nicht weiß! Meine Enkel habe ich mir anders vorgestellt! Du brauchst es uns nicht vorführen. Hörst du? Bring es nicht mit hierher.«
    Sie wandte sich um und ging in das größere der beiden Zimmer.
    Horatio folgte ihr. Sie hat nicht einmal gefragt, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, dachte er. In manchen Dingen sind die Schwarzen keinen Deut besser als die Weißen. »Sie heißt Sally«, rief er ihr nach, doch sie zuckte nur mit den Schultern.
    »Sally? Wer ist Sally?«
    Sein Vater war vom Sofa aufgestanden, reichte ihm die Hand. »Wer ist Sally?«
    »Meine Tochter«, erwiderte Horatio stolz. »Das Kind von Ruth und mir.«
    »Aha«, sagte der Vater und deutete mit einer Hand auf einen Stuhl. Auch er verlor kein Wort über sein Enkelkind, wollte sein Alter nicht wissen, nicht sein Gewicht oder die Größe.
    »Du kommst spät.«
    Horatio sah einen seiner Brüder an, der auf einem Kissen unter dem Fenster saß.
    »Wir hatten dich viel früher erwartet.«
    »Ich hatte noch zu tun in Swakopmund«, erwiderte Horatio.
    »Geschäfte für Weiße mit Weißen?«
    »Ja«, erwiderte Horatio. »Das ist nun mein Beruf.«
    »Und unsere Sache? Ist sie dir noch wichtig? Oder hast du schon vergessen, woher du kommst?«
    Horatio seufzte. »Natürlich nicht. Oder meint ihr vielleicht, die Weißen lassen mich nicht spüren, wohin ich gehöre?«
    »Immerhin lebst du mit einer Weißen.«
    Horatios Gesicht wurde starr. »Ich lebe mit Ruth. Und ich liebe sie, ganz gleich, in welcher Farbe ihre Haut schimmert.«
    Horatios Brüder verzogen abschätzig den Mund, sein Vater schüttelte den Kopf.
    »Früher warst du anders«, sagte schließlich sein älterer Bruder. »Früher wusstest du, was du wolltest: das gleiche Recht für alle Menschen. Das Ende der Apartheid. Du hast gekämpft, hast dich engagiert, warst verlässlich und der Sache treu. Und jetzt?« Er sah Horatio anklagend an. »Jetzt läufst du herum wie ein Weißer, fährst die Autos der Weißen, teilst mit einer Weißen das Bett und machst sogar Geschäfte für sie. Geschäfte, die nur dazu dienen, deine schwarzen Brüder und Schwestern noch mehr auszubeuten.«
    Horatio sah die Männer an, sah in verschlossene, abweisende Gesichter. Sein Vater stand auf, trat vor ihn. Auch Horatio erhob sich.
    »Bist du noch mein Sohn?«, fragte der Vater.
    Horatio wusste genau, was diese Frage in Wirklichkeit bedeutete. Genauso gut hätte sein Vater fragen können, ob er noch schwarz sei. Warum, dachte Horatio, warum zwingt mich jeder zu einer Entscheidung? Ich will doch einfach nur lieben können, wen

Weitere Kostenlose Bücher