Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
ihr von mir verlangt.«
»Gewiss. Eins noch: Kann dir jemand was am Zeug flicken?«
»Hmm.«
»Hast du mich gehört? Gibt es in deinem Leben etwas, das dich auffällig macht?«
»Natürlich nicht. Ich bin ein braver Bürger mit einer braven Familie und einem braven Job unter braven Nachbarn.«
»Dann siehe zu, dass das so bleibt.«
Vierzehntes Kapitel
H oratio fuhr den Dodge langsam aus Swakopmund heraus. Er war so in Gedanken, dass er keinen Blick für die gewaltigen Sanddünen und die halb versunkenen Schiffswracks hatte, die sich rechts und links der Pad auftürmten.
Es roch noch immer ein wenig nach Meer, und noch immer trieb der Wind eine frische Brise in die Wüste. Aber Horatio starrte nur vor sich auf die Straße, ohne etwas zu sehen. Willem betrog Corinne. Er hatte es gesehen. Im Grunde war es ihm vollkommen gleichgültig, was Willem oder Corinne trieben, aber er hatte die bange Ahnung, dass alles, was die beiden taten, auch ihn betreffen würde.
Wusste Corinne von der anderen Frau? Und wenn nicht, sollte er es ihr sagen? Was geschah, wenn Corinne von Willems Untreue erfuhr? Würde sie nach Swakopmund zurückgehen und sich endlich einmal um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern? Würde sie um Willem kämpfen?
Horatio schüttelte den Kopf. Corinne war nicht für das Kämpfen gemacht. Wahrscheinlich würde sie tage- und wochenlang weinen, sich von allen bedauern lassen und noch mehr Aufmerksamkeit für sich beanspruchen als ohnehin schon. Es war sogar möglich, dass sie aus Wut die Kinder aus dem Internat und auf die Farm brachte. Das wiederum brächte Sally in Gefahr, denn Corinne würde niemals erlauben, dass ihre Kinder neben einem schwarzen Säugling aufwuchsen. Andererseits würden Kummer und Sorgen Corinne von Ruth und der Kleinen ablenken. Am Ende würde sie gar zurück nach Swakopmund gehen, um Willem die Hölle heißzumachen.
Horatio beschloss, die Dinge auf sich zukommen zu lassen.
Er war müde; der Tag hatte ihn angestrengt. Zudem war er es nicht gewohnt, so lange Strecken mit dem Auto zu fahren, denn er hatte erst seit zwei Monaten einen Führerschein.
Die Sonne ging langsam unter. Es sah aus, als hätten sich die Hügel am Horizont rot glühende Kappen aufgesetzt. Diesem Anblick konnte sich auch Horatio nicht entziehen.
Wenig später fiel sein Blick auf ein Schild am Straßenrand: »Windhoek 30 Meilen«.
Horatio sah auf seine Uhr und drückte das Gaspedal durch. Er musste sich beeilen, wenn er so pünktlich kommen wollte, wie er es in seinem Telefonat angekündigt hatte.
Der Verkehr um ihn herum war dichter geworden. LKWs, die Ladefläche voller Menschen, fuhren an ihm vorüber. Die Schwarzen, die tagsüber in den Fabriken der Weißen arbeiteten, kehrten nach Hause zurück. Die meisten von ihnen wohnten am Rande Windhoeks, im Township Katutura.
Noch vor einem Jahr war Katutura nur ein verlassener Fleck gewesen. Doch dann hatte die südafrikanische Regierung beschlossen, die Schwarzen aus dem Gebiet des Hochland-Parks zu vertreiben und neu anzusiedeln. Es hatte Demonstrationen gegeben, bei denen viele Menschen gestorben waren, und dennoch wurde der Umsiedlungsplan nicht rückgängig gemacht. Ein einziges Zugeständnis gab es an die schwarze Bevölkerung: Sie durften den Namen ihres Ghettos selbst wählen. Und das hatten sie auch getan und der Verwaltung »Katutura« vorgeschlagen, »der Ort, an dem wir nicht leben wollen«. Die Herren der Stadtverwaltung hatten nicht nachgefragt, weshalb Katutura nun so hieß, wie sich seine Bewohner fühlten.
Die ersten schwarzen Umsiedler hatten noch Glück, durften die Häuser beziehen, die die Stadt dort für sie errichtet hatte: zwei kleine Zimmer, die Toilette im Hof und neben der Eingangstür ein Buchstabe. D stand für die Angehörigen der Damara-Stämme, H war das Zeichen der Herero, und in den mit N gekennzeichneten Häusern wohnten die Nama.
Die Häuser waren schnell vergeben gewesen, und so war gleich hinter ihnen eine Siedlung aus Wellblechkaten entstanden. Wochenlang sammelten die Schwarzen alte Abfalltonnen, Ölbehälter und sogar Konservendosen. Sie schnitten sie auf, walzten sie platt und bauten aus ihnen ihre Unterkünfte.
Geschäfte und Märkte gab es nicht in Katutura, Arbeit erst recht nicht. Daher machten sich die schwarzen Männer jeden Morgen auf einen stundenlangen Fußweg in die Stadt zu ihren Arbeitsplätzen, und zu jeder Tageszeit konnte man auf der Straße zum Township Frauen sehen, die schwere Einkäufe zu ihren
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