Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
groß.
Der Aufenthalt in Windhoek hatte länger gedauert, als Horatio es geplant hatte. Nach der Aussprache am Abend hatte er am nächsten Tag einige Termine in der Stadt gehabt, stets darauf bedacht, diese Termine als Forschungsarbeit für sein Projekt »Die Geschichte der Nama« zu tarnen. Er hatte sich mit Leuten getroffen, hatte sich mit den absurden Gesetzen der Apartheidregierung in Südafrika auseinandersetzen müssen. Er hatte den Leuten in Katutura geholfen, Briefe aufzusetzen, hatte seiner Mutter immer wieder versichert, dass er noch immer der war, den sie kannte.
Das alles hatte Horatio über die Maßen angestrengt und ausgelaugt. Nie zuvor hatte er sich so sehnlich gewünscht, unbeschwert leben zu können. Horatio kurbelte die Fenster weiter nach unten, damit die Abendluft ihm Erfrischung brachte.
Als er das Tor von Salden’s Hill endlich erreichte, war er so erleichtert, dass er laut aufseufzte. Es war schön, nach Hause zu kommen. Ruth würde in der Loggia sitzen und eine Flasche Bier für ihn bereithalten.
Horatio parkte den Dodge, nahm die Bücherkiste unter den Arm und ging mit einem Lächeln auf die Loggia zu. Doch dort saß niemand. Auch in Rose Saldens Räumen brannte kein Licht. Das ganze Anwesen wirkte verlassen und leblos.
Horatio stellte die Bücherkiste ab. »Ruth?«, rief er in den stillen Abend hinein. »Ruth? Wo bist du?«
Im Westflügel wurde ein Fenster geöffnet. »Schrei nicht so!«, erklang Mama Elos Stimme. »Das Kindchen wird sonst wach.«
»Wo sind die anderen?«, wollte Horatio wissen. »Was ist hier los?«
»Warte, ich komme runter.«
Wenig später stand die alte schwarze Frau mit bedrückter Miene neben Horatio. »Isa passt auf Sally auf«, erklärte sie, dann ließ sie ihren schweren Leib in einen der Rohrstühle fallen. Erst jetzt, im Schein der Loggialeuchte, erkannte Horatio, dass Mama Elo geweint hatte.
»Jetzt sage schon, was ist geschehen?«
Die alte Frau schnaufte. »Der Waffenschrank.«
»Was ist damit?«
»Aufgebrochen.«
»Was? Jemand hat den Waffenschrank aufgebrochen?«
»Jahaha«, schluchzte Mama Elo.
»Fehlt etwas?«
Sie nickte. »Zwei Jagdgewehre und ein Revolver, der noch von Wolf Salden stammte. Ein uraltes Ding. Und die anderen Waffen sind auch verschwunden.«
Horatio klappte der Unterkiefer herunter. Jeder Farmer hatte ein paar Waffen auf seinem Anwesen. Sie waren dazu gedacht, Tiere zu töten. Schakale, die junge Lämmer rissen. Hyänen, die sich an den Kälbern zu schaffen machten. Hin und wieder musste auch ein Löwe vertrieben werden. Oder ein Elefant. Hier am Rand der Wüste gab es mehr als genug gefährliche Tiere.
»Habt Ihr einen Verdacht?«, fragte er.
Mama Elo antwortete nicht, doch sie sah ihn mit großen Augen an.
»Santo?«, fragte er. Ruths Vorarbeiter besaß mit Sicherheit keine eigene Waffe. Schließlich war es nur den Weißen erlaubt, Waffen zu besitzen. Wie die Schwarzen mit umherstreunenden Löwen fertigwurden, war wie immer ihr eigenes Problem.
»Genau wissen wir es nicht. Der Käser hat erzählt, ein Schwarzer sei um das Haus geschlichen. Er hätte sich nichts dabei gedacht, da für ihn die Eingeborenen alle gleich aussähen.« Mama Elo schnaubte verächtlich. »Aber wer soll es sonst gewesen sein?«
Horatio nickte. »Wo sind die anderen?«
»Ruth reitet die Viehhütten ab. Irgendwo muss Santo schließlich sein. Rose ist mit dem anderen Wagen rüber zu Miller’s Run gefahren. Sie will die Nachbarn warnen.«
»Hat jemand die Polizei informiert?«
Mama Elo schüttelte den Kopf. »Warum? Noch ist nichts passiert, den Ahnen sei Dank.«
»Ich werde anrufen. Sergeant Lang muss wissen, dass wir Waffen vermissen. Wenn etwas passiert, dann ist klar, dass wir nichts damit zu tun haben.«
Eilig betrat er das Haus, begab sich zum Telefon in der Küche. »Sergeant Lang? Hier sprich Horatio Mwasube. Auf Salden’s Hill ist jemand eingebrochen. Der Waffenschrank ist leer.«
Sergeant Lang schien nicht überrascht. Er seufzte nur, nachdem Horatio ihm alles erzählt hatte. »Ich muss alle Farmer im Umkreis von hundert Meilen warnen. Irgendeiner von denen hat Dreck am Stecken. Und dieser eine ist jetzt in großer Gefahr. Oder haben Sie, mein schwarzer Bruder, eine Idee, wo sich die Waffen befinden könnten?«
»Was soll das heißen? Warum fragen Sie mich das?«
Sergeant Lang räusperte sich. »Man hört so einiges. Aus der Hauptstadt, aus Kapstadt. Besser, ich weiß, woran ich hier bin.«
»Ich war in Swakopmund, Sergeant.
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