Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
Ich hatte keine Gelegenheit, die Waffen zu stehlen. Und ich wüsste auch nicht, was ich damit sollte.«
»Das ist gut, mein Junge, sehr gut für Sie. Also muss ich lediglich versuchen, das schwarze Schaf unter den Weißen zu finden und zu beschützen. Sie ahnen gar nicht, wie viel Lust ich dazu habe!«
»Heißt das, im besten Falle findet sich Amas Vergewaltiger?«
»Yeap«, erwiderte Sergeant Lang. »Aber glauben Sie bloß nicht, dass dem etwas geschieht. Ich muss auflegen. Versuchen Sie doch unterdessen, Ihre Nachbarn zu warnen.«
Horatio bedankte sich. Dann schaute er auf die Liste mit den Telefonnummern der Nachbarsfarmen. Millers, Kathi Markworth, Schüsslers und noch ein halbes Dutzend weitere. Er müsste sie informieren, müsste sie warnen. Aber er glaubte einfach nicht, dass ihnen Gefahr drohte. Und war Rose nicht sowieso unterwegs nach Miller’s Run? Sicher war es Nath ein Vergnügen, sofort die anderen zu informieren.
Horatio legte den Telefonhörer zurück auf die Gabel. Santo, falls er es war, der die Waffen gestohlen hatte, stand sowieso schon mit einem Bein im Gefängnis. Er sollte wenigstens wissen, warum er den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen musste.
Von draußen war Hufgetrappel zu hören. Horatio lief zur Tür. Ruth war zurückgekommen. Sie zügelte mühsam das hitzige Pferd und stieg ab. Sie war verschwitzt, das Haar hing ihr in wilden Strähnen ums Gesicht.
»Du hast es schon gehört?«, fragte sie.
Horatio nickte.
»Ich habe alle Viehhütten abgesucht, aber ich habe ihn nicht gefunden.«
»Warst du bei seiner Frau? Warst du bei Thala?«
Ruth verneinte. »Es hat keinen Sinn. Selbst wenn sie etwas wüsste, würde sie mir nichts sagen. Ihre Tochter ist tot, und sie will, dass der Mörder bestraft wird.«
Im gleichen Moment erhellten Scheinwerfer den Platz vor dem Farmhaus. Rose Salden parkte ihr Auto neben dem Dodge, stieg aus und kam die wenigen Stufen zur Loggia hinauf. »Ich habe Millers gewarnt. Sie haben versprochen, den Schafscherern Bescheid zu sagen.«
»Und sonst?«, fragte Ruth. »Haben sie etwas gesagt? Hat Nath sich irgendwie geäußert?« Für einen Augenblick dachte sie an einen Vorfall, der mittlerweile einige Monate zurücklag. Damals hatte Salden’s Hill vor dem Ruin gestanden. Ruth hätte die Farm retten können, wenn sie Nathaniel Miller geheiratet hätte. Doch Ruth wollte den Nachbarsjungen nicht. Und eines Abends, als sie noch ein wenig über ihr Land geschaut hatte, war Nath gekommen und war Ruth nahegekommen, viel näher, als sie es gewollt hatte. Bis jetzt hatte Ruth die Erinnerung daran verdrängen können.
»Nein, Ruth. Nath war wie immer«, erklärte Rose. Dann schüttelte sie den Kopf, sah Horatio mit weit offenen Augen an. »Wie schön und friedlich könnte die Welt sein, wenn jeder nur die Dinge tun würde, die ihn etwas angehen!« Sie wandte sich ab und verschwand im Haus.
Horatio sah ihr mit offenem Mund nach.
Ruth hatte sich in den Lehnstuhl gesetzt, die Stiefel von den müden Füßen geworfen und sich eine Flasche Bier geöffnet.
Horatio setzte sich zu ihr und griff nach ihrer Hand.
Mama Elo weinte noch immer leise vor sich hin.
»Wo ist eigentlich Corinne?«, fragte Ruth.
Mama Elo verzog das Gesicht. »Sie ist zusammen mit dem neuen Käser weggeritten. Angeblich, um Santo zu suchen.«
»Falls Santo tatsächlich derjenige war, der den Waffenschrank aufgebrochen hat«, warf Horatio ein.
»Wieso? An wen denkst du denn?«, wollte Ruth wissen.
Horatio biss sich auf die Unterlippe. Er hatte zu viel gesagt. »Wir wissen eigentlich gar nichts. Niemand hat Santo in den letzten Tagen gesehen oder etwas von ihm gehört. Vielleicht ist der Einbruch auch nur ein Dummejungenstreich. Vielleicht von einem verübt, der nur kurz in der Gegend war. Ich will nur sagen, dass nicht allein Santo als Täter in Frage kommt. Sergeant Lang ermittelt in alle Richtungen. Ich habe eben mit ihm telefoniert.«
»Das ist gut.« Ruth nickte und wandte sich um, sodass sie die Käserei im Blick hatte. »Es brennt noch Licht in der Milchkammer.« Sie stellte ihre Bierflasche auf den Tisch und erhob sich. »Ich hasse es, wenn Strom verschwendet wird.«
»Was hast du vor, Ruth?«
»Ich gehe nachschauen, was sonst. Jemand, der das Licht brennen lässt, ist womöglich auch imstande, den Herd anzulassen.« Ihr Gesicht wirkte entschlossen. Das Kinn war kantig, die Augen zeigten einen harten Glanz, und der Mund war zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
Horatio
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