Das Herz Der Woelfin
Wunde, strich eine heilende Salbe darauf und verband das Bein. Prüfend sah sie Ylfa in die hellblauen Augen, dann lächelte sie. „Sitzt der Verband auch nicht zu fest?“
„Nein, danke“, antwortete Ylfa. „Du hast Zauberhände. Die Wunde tut fast gar nicht mehr weh.“
„Nun, so ist dnntun, so as eben. – Männer kämpfen und Frauen flicken sie wieder zusammen“, sagte Gisela bedeutsam und betonte die Worte „Männer“ und „Frauen“. Mit diebischem Vergnügen registrierte sie, dass Ylfa errötete. Sie hatte verstanden.
„Können wir dann jetzt?“, fragte Fulk leicht genervt. „Ich würde gern in mein Bett, ehe der Morgen graut.“
Gisela packte ihre Sachen zusammen und verließ mit ihrem Bruder den kleinen Raum. Der Wärter verschloss gewissenhaft die schwere Tür und wünschte seinen Herrschaften eine angenehme Nachtruhe.
*
„Wenn ich nun schon mal hier bin, möchte ich auch nach den anderen Gefangenen sehen“, verlangte Gisela, nachdem sie mit Fulk den Verschlag verlassen hatte.
Fulk stöhnte. Das hatte er davon, dass er seine Schwester hatte rufen lassen. Frauen brachten einem Nichts als Unannehmlichkeiten ein.
„Morgen kannst du sie versorgen. Für heute Nacht habe ich genug von dreckigen Barbaren. Du wirst jetzt zu Bett gehen und ich auch!“, sagte er, entschlossen nicht wieder klein beizugeben.
Gisela blieb ruckartig stehen, stellte ihren Korb ab und stemmte die Hände in die Hüften. Fulk blieb stehen und sah sie erstaunt an. Sie reichte ihm nur bis zur Brust und war sehr zierlich gebaut, aber wie sie so entschlossen dastand und ihn wütend anfunkelte, bekam er gehörigen Respekt vor ihr. Sie erinnerte ihn in diesem Moment an seine Mutter, die eine sehr resolute Persönlichkeit gewesen war.
„Oh nein, lieber Bruder! In dieser Sache wird es nach meinem Willen gehen, sonst kannst du was erleben!“
„Was bist du plötzlich so aufsässig? So kenn ich dich ja gar nicht.“
Fulk schwankte zwischen Ärger und Belustigung.
„ Dann , mein lieber großer Bruder, wird es langsam Zeit, dass du mich kennenlernst. – Also – wollen wir uns nun lange streiten oder können wir jetzt endlich zu den Gefangenen gehen, damit wir heute noch ins Bett kommen?“
Seufzend gab Fulk sich geschlagen. Sie hatte recht. Ihm stand nicht der Sinn nach endlosen Diskussionen. Er war müde und die Aussicht, endlich in sein Gemach zu kommen, war es wert, seiner plötzlich so störrischen kleinen Schwester nachzugeben.
„Also gut, wenn du sonst keine Ruhe geben willst ...“, lenkte er ein.
So statteten sie also auch Ylfas Männern einen Besuch ab. Für Gisela gab es nicht viel zu tun und sie war mit den drei ="jit den Kriegern recht schnell fertig. Gerade legte sie dem letzten Gefangenen einen Schulterverband an, als dieser nach ihrem Handgelenk griff. Erschrocken schrie Gisela auf und Fulk wollte sich schon auf den Mann stürzen.
„Anführer gut? – Wunde Bein!“, fragte der Mann in gebrochener fränkischer Sprache.
Gisela nickte. „Ja, eurem Anführer geht es gut. Die Wunde ist nicht so schlimm“, erklärte sie.
Erleichterung zeigte sich auf dem Gesicht des Wikingers und er ließ Giselas Handgelenk los. „Danke!“
„Schon gut. Aber jetzt halte still, damit ich deinen Verband zu Ende anlegen kann.“
*
Als Fulk und Gisela die Halle betraten, war Brice bereits verschwunden. Scheinbar hatte er doch endlich den Weg ins Bett gefunden.
„Diese Wikinger machen sich ganz schöne Sorgen um den Jungen. Wirklich komische Bande“, stellte Fulk fest.
„Dein Gefangener ist auch nicht das, was er zu sein scheint“, sagte Gisela bedeutungsvoll.
„Was meinst du damit?“, wollte Fulk wissen. Es warf seiner Schwester einen abschätzenden Blick zu. Was für ein Spiel war das nun schon wieder?
„Das musst du schon selbst herausfinden. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht!“
Mit diesen Worten ließ sie ihren Bruder in der Halle stehen und ging die Treppe hinauf zu ihrem Gemach. Fulk sah ihr verwirrt und ratlos hinterher. Seit wann sprach seine Schwester so in Rätseln? Was war mit diesem Wikingerjungen?
*
Ylfa verbrachte eine höchst unangenehme Nacht. In ihrem Verschlag war es bitterkalt und trotz der guten Versorgung schmerzte ihre Wunde. Zudem plagte sie die Ungewissheit ihres Schicksals. Die Schwester des Grafen schien ihr Geheimnis erraten zu haben. Würde sie es für sich behalten? Und wäre es eher schlecht oder gut für sie, wenn dieser Franke um ihr Geheimnis wusste?
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