Das Herz Der Woelfin
ungewöhnlichen Augen konnte er Unsicherheit und Angst erkennen. Trotzdem hielt der Junge sich gut, das musste er anerkennen. Manch gestandener Mann bewies nicht so viel Mut. Fast tat Fulk sein Vorhaben leid, doch er konnte und durfte nun keinen Rückzieher mehr machen.
Man zwang den Jungen vor ihm auf die Knie, doch der Wikinger hielt den Kopf weiterhin erhoben und nun blitzte eine kalte Wut in seinen Augen auf und das helle Blau der Iris wechselte zu einem leuchtenden Türkis. Fulk fühlte sich von diesen ungewöhnlichen Augen wie magisch angezogen. Konnte man von dem schmutzstarrenden Gesicht auch nicht viel erkennen, die Augen waren jedenfalls entschieden zu schön für einen jungen Mann. Doch im Gegensatz zu seiner Schwester, durchschaute Fulk Ylfas Verkleidung noch immer nicht und so bereitete die merkwürdige Anziehungskraft, die der vermeintliche Wikingerjunge auf ihn ausübte, ihm einiges Unbehagen. Er konnte sich die ganze Sache einfach nicht erklären.
In Ylfas Inneren brodelte es. Dass man sie demütigte, indem man sie auf die Knie gezwungen hatte, machte sie unglaublich wütend. Die Wut musste dafür verantwortlich sein, dass ihr so merkwürdig im Bauch war, wenn sie diesem Franken in die Augen sah. Sie registrierte seine scharf geschnittenen Gesichtszüge und den sinnlich geschwungenen Mund. Pah! Er trug ja nicht einmal einen Bart. Seine Wangen waren glatt wie die eines Weibes. Der plötzliche Wunsch, über diese glatten Wangen zu streichen, verunsicherte sie und sie wich seinem Blick aus, damit er ihre Unsicherheit nicht sehen konnte. Was war nur los mit ihr? Sie durfte auf keinen Fall ihren Stolz verlieren.
Fulk erhob sich und blickte in die Runde. Alle Augen waren neugierig auf das Podium gerichtet. Man wollte wissen, was nun mit den Barbaren geschehen sollte und einige von den Männern hatten nicht übel Lust, sich die verhassten Wikinger selbst vorzunehmen. Fulk atmete tief durch, dann hob er an, zu sprechen.
„Es ist lange her, dass diese Festung angegriffen wurde. Beim letzten Mal war es mein Vater, der Rabenfeld verteidigte und Gefangene machte. Ich erinnere mich genau, wie es diesen Gefangenen ergangen ist. – Mein Vater hängte sie an den Toren auf.“
Zustimmende Rufe ertönten und Unruhe entstand in der Halle. Ylfa war bleich geworden. Man würde sie hängen. Sie würde nicht mit dem Schwert in der Hand sterben, sondern wie ein Verräter aus dem Leben scheiden. Angst griff mit kalten Klauen nach ihrem Herzen und sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Verzweifelt kämpStolt k&aufte sie gegen die aufkommende Panik an. Sie wagte einen Blick auf die junge Frau, die sie versorgt hatte, und las Mitleid in den sanften Augen. Würde sie nun ihr Geheimnis verraten? Könnte sie ihrem Schicksal entgehen, wenn sie ihre wahre Identität preisgab? – Nein! Das wäre feige. Wenn ihre Männer sterben sollten, die wegen ihr in Gefangenschaft geraten waren, dann musste auch sie den harten Weg gehen. Sie flehte im Stillen alle Götter an, ihr beizustehen.
„Ich habe noch kein Urteil gefällt, aber ich werde nun die Befragung des Anführers vornehmen“, sprach der Graf weiter. Sein Blick wanderte zu Ylfa zurück. „Steh auf!“, forderte er.
Langsam und mit wild klopfendem Herzen erhob sich Ylfa von den Knien. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen das Zittern an, das ihren Körper zu befallen drohte. Die Hände zu Fäusten geballt und mit angespannten Gliedern stand sie da und blickte trotzig zu dem Mann auf, der über ihr Leben entscheiden würde. Sollte er nach der Laune seiner Männer urteilen, stand ihr wohl Schlimmes bevor.
„Du hast mit deinen Männern meinen Besitz überfallen. Einer meiner Männer wurde getötet und viele verwundet. Ich verlange zu wissen, warum dieser Überfall stattfand.“
Ylfa schwieg. Was sollte sie auch darauf antworten? Sollte sie erzählen, dass sie ihren Vater zu beeindrucken suchte? Dass sie auf reiche Beute gehofft hatte? Sie hatte sich keine Gedanken über die Folgen eines Überfalls gemacht und die Gefahr für sich selbst und ihre Männer falsch eingeschätzt. Wikinger waren überlegene Kämpfer und ihre Überheblichkeit hatte sie wagemutig gemacht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass so viele Krieger in dieser Festung weilten.
„Ich habe dir bereits gesagt, dass ich deine Zunge notfalls mit Gewalt lösen werde“, erinnerte sie der Graf mit drohender Stimme.
Ylfa biss die Zähne fest zusammen und schwieg beharrlich. Sie flehte im Stillen
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