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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Webber
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wechselte das Thema.
    „Lassen wir das mit der Liebe. Wenn Akbar innere Blutungen hat, woran mag es liegen? Dass die Milz verletzt ist?“
    Kamid sah sie an und nickte dann. „Schlimmstenfalls muss man sie entfernen, aber das Gute ist, dass er ohne sie leben kann.“
    Jenny konnte einen entsetzten Laut nicht ganz unterdrücken. „Sie wollen hier operieren? Unter diesen Bedingungen?“
    Das trug ihr einen belustigten Blick ein. „Haben Sie vorhin nicht betont, dass Ärzte vor nicht allzu langer Zeit mit bescheidenen Mitteln ausgekommen sind?“
    „Sie haben ihre Patienten zusammengeflickt und gehofft, dass sie am Leben bleiben.“
    „Etwas anderes wird uns auch nicht übrig bleiben“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. „Wissen Sie, warum er geschlagen wurde? Hat er versucht zu stehlen?“
    „Vermutlich ist er auf die andere Seite der Grenze zurückgekehrt, weil er seinen Sohn gesucht hat“, erklärte Jenny. „Anscheinend hatte der mit seinem Freund in dessen Haus gespielt, als Lia und Akbar fliehen mussten. Sie haben wohl gedacht, die Nachbarn würden auch flüchten und Hamid mitbringen. Doch hier im Lager waren sie nicht, weder die Nachbarn noch der Junge. Lia ist völlig verzweifelt, seit sie ihn verloren hat.“
    „Möglicherweise wurden sie beim ersten Überfall getötet.“
    Jenny schüttelte den Kopf. „Nein. Die Nachbarin gehört zu einem anderen Stamm, und zwar dem, der das Gebiet inzwischen unter Kontrolle hält. Also wurde sie verschont, und der Junge wird noch bei ihr sein.“
    „Frauen und Kinder werden immer verschont.“
    „Sagen die Männer. Aber wovon verschont? Vom Tod, von körperlichen Schmerzen, das mag sein, doch was ist mit der seelischen Tortur, der sie ausgesetzt sind? Immer in Angst und Sorge um ihre Männer, Väter, Söhne und Brüder. Nein, ich glaube nicht, dass sie verschont werden.“
    Kamid Rahman drehte sich zu ihr um, eine steile Falte zwischen seinen schwarzen Brauen. „Sie sind die streitbarste Frau, die ich je kennengelernt habe.“
    Daraufhin musste sie lachen. „Ich streite nicht“, korrigierte sie, „ich bin einfach nicht Ihrer Meinung. Sind Sie so weit oben auf Ihrer Karriereleiter angelangt, dass Sie immer recht haben? Dass Sie es gewohnt sind, wenn gewöhnliche Mediziner sich vor Ihnen verneigen oder bewundernd zu Ihnen aufblicken? Chirurgen werden von ihren Kollegen oft als eine Art Halbgötter betrachtet.“
    Aber was machte ein Top-Chirurg hier draußen in der Wüste?
    Wieder einmal verspürte sie dieses unterschwellige Misstrauen ihm gegenüber.
    „Sie haben recht“, sagte er da zu ihrer Verwunderung. „Die Frauen leiden. Vielleicht ist das der Grund, warum sie abergläubischer sind, sich an Amulette oder Schriftzeichen klammern, die den bösen Blick abwenden sollen.“
    „Das ist mir auch schon aufgefallen. Ein paar Frauen haben Marij oder Aisha gebeten, ein paar Wörter auf ein Stück Papier zu schreiben, das sie dann in den Lederbeutel steckten, den sie um den Hals tragen. Ich dachte, es wären Gebete.“
    „Sind es auch“, antwortete er. „Wer kann sie besser beschützen als ihr Gott? Welchen Namen er auch immer haben mag.“
    Kamid dachte weniger an Glücksbringer und Gebete, sondern daran, dass die Frauen in diesem Lager nicht schreiben konnten. Man sollte ihnen helfen, eine Schule für die Kinder und Unterrichtsstunden für die Frauen einzurichten.
    Es gab so vieles, worum er sich kümmern musste. Und es musste schnell gehen.
    Ein Grund mehr, warum er sich nicht ablenken lassen durfte, vor allem nicht von dieser energischen und doch bezaubernden blonden Frau.
    „Ich kann verstehen, dass sie im Gebet Trost suchen. Sie haben fast alles verloren“, unterbrach Jenny ihn in seinen Gedanken. „Trotzdem geben sie die Hoffnung nicht auf. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich glaube, sie klammern sich daran, dass sie in ihre Heimat zurückkehren werden. In ihr Sommerlager im Wadi, wo Datteln wachsen, oder ins Wintercamp mit den Schutz bietenden Höhlen, die die Felsen wie Bienenwaben überziehen, von ihren Vorfahren im Lauf der Jahrhunderte in den Stein gemeißelt. Die wenigen Flüchtlinge, die Englisch sprechen, reden immer wieder davon, und man muss nicht lange hier sein, um ihre Sehnsucht, ihre Träume nachempfinden zu können.“
    Kamid wusste, wie ihnen zumute war. Auch in seinen Adern floss Beduinenblut und mit ihm das Verlangen, Wüstensand unter den Füßen zu spüren und die unendliche Weite des

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