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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Webber
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Landes zu durchstreifen, wie seine Vorfahren es getan hatten.
    Stirnrunzelnd sah er die Frau neben sich an. Seit Generationen war seine Familie sesshaft, und die Weigerung seines Vaters, sich der Moderne zu öffnen, hatte seine Kinder und Enkel nicht davon abhalten können, im Ausland zu studieren und mit der Zeit zu gehen.
    Sieh dich an, dachte er, du bist Arzt, sogar Facharzt für Chirurgie!
    Wie konnte es passieren, dass diese Frau in ihm die Sehnsucht nach der Wüste hervorrief? Warum fragte er sich, ob er ein Amulett brauchte, um sich vor ihren weiblichen Reizen zu schützen?
    Aber sie versuchte doch gar nicht, ihre weiblichen Reize auszuspielen.
    Oder?
    Er betrachtete sie. Ruhig saß sie auf dem Felsen, das Kind in den Armen. Kamid stellte sich vor, wie Mann und Frau seit Urzeiten hier gesessen hatten, auf diesem Felsen, eine Familie mit ihrem Kind. Doch das war nur eine Illusion. Allerdings eine, die er äußerst verwirrend fand …
    Genauso wie die Frau neben sich.
    Unwillkürlich dachte er an die Liste, die er seiner Mutter gegeben hatte. Sie verzeichnete alle Attribute, die er sich für seine zukünftige Ehefrau wünschte. Ruhig, sanft, liebenswert, häuslich, eine gute Gastgeberin, ausgeglichen und attraktiv waren die Eigenschaften, die an erster Stelle standen, aber er hatte auch intelligent und gebildet hinzugefügt. Letzteres traf auf diese Frau zu, und sie war mehr als attraktiv, obwohl sie von Kopf bis Fuß mit Wüstenstaub bedeckt war. Doch alles andere …
    Er schüttelte den Kopf. Sie war eine Frau, die das Reisen liebte und es nie lange an einem Ort aushalten würde.
    Das Schweigen zwischen ihnen störte Jenny nicht. Sie liebte es, stumm über die geschwungenen Sanddünen zu blicken, doch diesmal wollte sich das friedliche Gefühl, das sie sonst immer so genoss, nicht einstellen. Eine merkwürdige Unruhe hatte sie erfasst, sie fühlte sich auf unerklärliche Weise nervös und angespannt.
    Woran lag das nur? Es gab keinen Grund dafür, vor allem nicht hier, an diesem magischen Ort, in einem Beruf, den sie liebte …
    Rosana wurde immer schwerer, und Jenny verlagerte ihr Gewicht. „Ich muss die Kleine ins Bett bringen und werde hinterher nach unserem Patienten sehen“, sagte sie, wobei sie Anstalten machte aufzustehen. Zu ihrer Überraschung erhob Kamid sich und nahm ihr das schlafende Kind ab.
    „Bleiben Sie ruhig noch eine Weile sitzen, es wird Ihnen guttun. Ich werde Marij oder Aisha bitten, sich um Rosana zu kümmern, und dann nach Akbar sehen.“
    Jenny blickte ihn an und fragte sich, was er wohl dachte. Silbriges Mondlicht beschien seine markanten Züge, aber wie im hellen Sonnenschein war auch jetzt seine Miene undurchdringlich. Dabei war er, als er sich herabbeugte, um Rosana zu nehmen, nahe genug gewesen, dass sie ihn genau betrachten konnte. Die ausgeprägten Wangenknochen, die hohe Stirn, dunkle Brauen über den ungewöhnlich grünen Augen, glatte, sonnengebräunte Haut, die feinen Fältchen in den Augenwinkeln. Lächelte er viel, lachte er gern, oder kamen sie vom grellen Tageslicht in diesem Land, das seine Bewohner zwang, in die Sonne zu blinzeln?
    Sie sah ihm nach, als er geschmeidig davonging. Eigentlich hatte er selten gelächelt, und sie hatte ihn noch nie lachen hören.
    In Gedanken versunken lehnte sie sich gegen den Felsen, schaute auf die Dünen und versuchte zu überlegen, wie dieser Mann für das Lager von Nutzen sein könnte. Leider hatte sie Mühe, sich zu konzentrieren, weil immer wieder Kamids Bild vor ihrem inneren Auge auftauchte, sie ablenkte, bis sie sich bei sehnsüchtigen Träumen ertappte.
    Dabei hatte sie bereits eine Liste der dringendsten Dinge geschrieben, die hier im Lager gebraucht wurden. An erster Stelle stand ein Brunnen. Sie hatte von Brunnenbohrungen in der Wüste gelesen, Wasserreservoires, die sich die Beduinen anlegten, die noch immer das Land durchstreiften.
    Wäre ein Mitarbeiter von Aid for All überhaupt einflussreich genug, um in diesem Lager einen Brunnen bauen lassen zu können?
    Er kam zurück. Sie würde ihn einfach fragen. Besser, sie redeten über Brunnen und die medizinische Versorgung, als still nebeneinanderzusitzen, eingehüllt in die zauberhafte Stimmung der nächtlichen Wüste, während die Nähe dieses Mannes ihre Sinne streichelte und erregende Schauer über ihren Rücken rieseln ließ.
    „Meinen Sie, es wäre möglich, die Regierung dazu zu bringen, hier einen Brunnen bohren zu lassen?“, sprach sie ihn an, als er noch zwei

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