Das Herz der Wueste
erleichtert er war. „Hast du Schmerzmittel dabei? Die Operationswunde wird höllisch wehtun.“
„Wenn sie ihren Sohn sieht, wird sie die Schmerzen vergessen“, sagte der Clanführer, aber Jenny war sich dessen nicht so sicher.
„Ich lasse ihr ein paar Tabletten hier“, entgegnete sie. „Können Sie Eis besorgen, oder ist das eine dumme Frage?“
„Kein Problem, im Dorf gibt es Strom und Kühlschränke.“
„Gut, dann soll sie in Tücher gewickeltes Eis auf den Bauch legen, um die Schmerzen zu lindern. Und achten Sie darauf, dass sie die Tabletten nimmt. Stillen kann sie ihr Baby trotzdem, es ist ein Mittel, das ihm nicht schadet.“
Ein Blick in Kamids Gesicht verriet ihr, dass der Anführer diese Art von Unterhaltung nicht gerade gewohnt war, aber sie fand, dass er sich tapfer hielt. Wobei er das winzige Wesen in seinen Armen nicht aus den Augen ließ.
Die junge Frau bewegte sich und fing an zu stöhnen, sodass Jenny schon überlegte, ob sie ihr ein stärkeres Schmerzmittel geben sollte. Da beugte sich ihr Mann zu ihr herab und drehte das Kind so, dass sie sein Gesichtchen sehen konnte.
Zaghaft streckte sie die Hand aus und berührte mit dem Zeigefinger eine kleine Faust, blickte hoch zu ihrem Mann. Tränen glitzerten in ihren Augen, und Jenny las den Stolz und das unfassbare Glück. Unser Sohn …
Schweigend erhob sich Kamid und ging nach draußen, und Jenny spülte ihre Instrumente ab, ehe sie sie in ein Tuch einschlug. Später, in ihrem Zelt, würde sie sie sterilisieren. Dann verließ sie das Paar, damit es sein wiedergefundenes Glück in Ruhe genießen konnte.
„Hast du wegen Hamid gefragt?“ Jenny stellte sich neben Kamid.
„Sie holen ihn, sobald wir aufbrechen.“
Der merkwürdige Unterton machte sie stutzig. „Glaubst du ihm nicht?“
„Oh doch, natürlich, fragt sich nur, was genau mit sobald gemeint ist. Denkst du ernsthaft, dass uns dieser Mann gehen lassen wird, solange seine Frau noch Pflege braucht? Du kannst dir sicher nicht vorstellen, was es bedeutet, dass er bei der Geburt seines Kindes anwesend war, oder? Er muss seine Frau abgöttisch lieben, wenn er ihretwegen bereit ist, eine jahrtausendealte Tradition zu missachten. Das heißt, er wird sich große Sorgen um sie machen, bis sie sich vollständig erholt hat. Eine Ärztin, die sich tagtäglich um sie kümmern kann, kommt ihm da wie gerufen.“
„Aber ich kann nicht bleiben!“, protestierte Jenny leise. „Außerdem hat er freies Geleit versprochen – mit Hamid.“
„Er nicht, nur sein Bote. Wüstenbewohner sind besonders vorsichtig, wenn es um Versprechen geht, weil sie sich an ihr Wort gebunden fühlen. Daher vermeiden sie es, so gut es geht, oder lassen sich ein Hintertürchen offen. In Abdullahs Fall ist es der Bote.“
„Dem nichts anderes übrig geblieben war, sonst hätte er mich erschießen müssen“, flachste Jenny, obwohl sie insgeheim beunruhigt war.
„Mach dir keine Sorgen, ich werde versuchen, den Boten zu finden, und mit ihm reden. Da der Anführer ihn mit diesem wichtigen Auftrag betraut hat, muss er eine besondere Stellung in der Stammeshierarchie bekleiden. Willst du inzwischen nicht genau aufschreiben, wie deine Patientin versorgt werden soll? Hast du genug Verbandsmaterial und antiseptische Lösung dabei, die du hierlassen kannst? Ich werde in Erfahrung bringen, ob Abdullah genauso gut Englisch liest, wie er es spricht, ansonsten werde ich deine Anweisungen übersetzen. Wir bereiten alles vor und sagen ihnen, dass wir wiederkommen. Wann? In einer Woche?“
Jenny dachte nach. Ihr fiel gleich eine ganze Liste möglicher Komplikationen ein.
„Ich weiß nicht, Kamid.“ Anscheinend klang sie so ratlos, dass er den Arm um sie legte und sie kurz an sich drückte. Dankbar schmiegte sie sich an ihn. Seinen starken Körper zu spüren, gab ihr Kraft. „Eine Woche ist zu lang. Stell dir vor, es kommt zu einer Infektion!“
Wie tröstlich seine Umarmung war … Dass nebenbei zarte Schauer und ein lustvolles Prickeln sie durchrieselten, vergaß sie am besten gleich wieder.
Es gab Wichtigeres, auf das sie sich konzentrieren musste.
„Der Weg ist nicht weit. Was hältst du davon, wenn wir Hamid heute Nacht zurückbringen und versprechen, jeden Abend herzukommen, um nach ihr zu sehen?“
Kamid seufzte theatralisch. „So viel zu Küssen im Mondlicht“, sagte er leise.
„Das wäre sowieso nicht passiert“, erklärte sie. „Kurz bevor der Bote kam, hatte ich es mir anders überlegt. Du hast doch
Weitere Kostenlose Bücher