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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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eine Stütze auf seiner Suche nach einer Erklärung. »Im Grunde bedeutet sie, daß eine winzige Veränderung in einem kleinen lokalen System Auswirkungen haben kann, die das Gleichgewicht in einem anderen größeren System betreffen, das weit entfernt ist. Es ist ein mathematisches Modell, das man mit Computern nachbildet.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Er ließ seine Hand wieder sinken und stützte sich auf dem Tisch ab. »Es ist schwierig. Erst einmal muß man verstehen, wer er ist. Sein Wesen. Die meisten Menschen wiegen sich passiv im Wind des Lebens. Resigniert akzeptieren sie die Veränderungen in ihrer Umgebung. O ja, sie beklagen sich, sie jammern und drohen, aber am Ende passen sie sich an und lassen sich vom Strom mitziehen. Thobela gehört zu den anderen, zu der Minderheit derjenigen, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Als die Apartheid seine genetische Fitneß in Frage stellte, beschloß er, das System zu verändern. Die scheinbare Unmöglichkeit dieser Herausforderung war irrelevant. Können Sie mir soweit folgen?«
    |275| »Ich glaube.«
    »Jetzt, im Augenblick, unterdrückt er dieses natürliche Verhalten. Er glaubt, er kann Schilf sein, das sich im Wind wiegt. Und solange die Gleichung seines eigenen Lebens ungestört bleibt, gelingt ihm das auch. Bisher war es einfach. Nur sein Job, Miriam und Pakamile. Ein sicheres, geschlossenes System. So will er es belassen. Das Problem besteht darin, daß das Leben so nicht ist. Die richtige Welt befindet sich nicht im Gleichgewicht. Die Chaostheorie besagt, daß aller Wahrscheinlichkeit nach immer irgend etwas geschieht, was das Gleichgewicht eines Systems aus der Balance bringt.«
    »Und was dann?« fragte Allison. »Wenn Ihre Theorie wahr wird und er sich in den zurückverwandelt, der er ist?«
    »Dann wird die Hölle los sein«, sagte Dr. Zatopek van Heerden nachdenklich.
     
    Vincent Radebe schaute nach unten, bevor er durch die Notausgangstür wieder hereingehen wollte, und da sah er sie. Sie hing direkt unter ihm zwischen Himmel und Erde. Ihre Blicke trafen sich, ihre Augen waren voller Angst. Ihre Beine schwangen wie ein Pendel zwischen der Leere und der Plattform unter ihnen hin und her.
    »Miriam«, rief er voller Verzweiflung, und er beugte sich herunter, um ihre Arme zu packen, um sie zu retten.
    Sie reagierte darauf, indem sie losließ, sie öffnete ihre verkrampften Finger.
    Der Schwung ihres Körpers zog sie an dem Absatz im sechsten Stock vorbei. Sie stürzte. Sie gab keinen Ton von sich.
    Vincent Radebe sah alles, er sah, wie ihr Körper sich wand, als er langsam der Erde entgegentrudelte. Er glaubte, ein leises Geräusch zu vernehmen, als sie auf das schmutzige Steinpflaster der Gasse weit unten traf.
    Er stieß einen Schrei aus, in seiner Muttersprache, verzweifelt himmelwärts.
     
    |276| Thobela Mpayipheli betrachtete die Welt um sich herum, der Mond stand groß und schön am schwarzen Himmel. Der Free State lag weit vor ihm, Wiesen erstreckten sich im wunderbaren Licht, so weit er sehen konnte, hier und da säumten die dunklen Formen der Thorn Trees seinen Weg, den die Scheinwerfer vor ihm aus dem Dunkel bohrten. Er spürte das Motorrad, er spürte seinen eigenen Körper, er spürte seinen Platz auf diesem Kontinent, und er sah sich selbst, er spürte das Leben durch sich fließen, ein rauschender, breiter Fluß, der ihn mit sich zog. Er wußte, daß er diesen Augenblick genießen mußte, daß er ihn irgendwo in seinem Inneren bewahren mußte, denn solche Augenblicke waren flüchtig und selten, er war in vollkommener Einheit mit dem Universum.

30
    Janina Mentz hörte ihr Handy klingeln, während sie zurück zu den Wale Street Chambers fuhr. Der erste Anrufer war der Direktor.
    »Ich weiß, daß Sie es verdient haben, sich auszuruhen, Janina, doch ich habe interessante Neuigkeiten für Sie. Allerdings nicht am Telefon.«
    »Ich fahre bereits zurück, Sir.« Sie waren sich beide der Abhörmöglichkeiten einer Handyverbindung bewußt.
    »Oh?«
    »Ich werde Sie informieren.«
    »Das ist gut, Janina«, sagte der Direktor.
    »Ich bin in zehn Minuten da.«
    Kaum drei Minuten später war Quinn dran. »Ma’am, wir brauchen Sie.«
    Sie nahm die tiefe Verzweiflung in seiner Stimme zuerst nicht wahr. »Ich weiß, Rudewaan, ich bin unterwegs.«
    »Nein. Es ist noch etwas anderes«, sagte er, und nun bemerkte sie seinen besorgten Tonfall. »Ich komme. Der Direktor möchte auch mit mir sprechen.«
    |277| »Danke, Ma’am«, sagte er.
    Sie

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