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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Ende.
     
    Dr. Zatopek van Heerden brachte Allison zu ihrem Wagen.
    Sie mußte den Redaktionsschluß beachten, aber sie wollte eigentlich nicht gehen.
    »Ich bin nicht unbedingt Ihrer Meinung«, sagte sie, als sie den Wagen erreichten.
    »In welcher Sache?«
    »Gut und Böse. Das sind sehr oft doch absolute Werte.«
    Sie schaute ihn im Mondlicht an. Er dachte zu viel, vielleicht wußte er zu viel; es war, als bauten die Ideen und Gedanken einen Druck in seinem Kopf auf, und die Mundöffnung war zu klein für ihre schiere Menge. Deshalb zogen merkwürdige Ausdrücke über sein Gesicht, aber er schien Erleichterung durch die Bewegungen seines Körpers zu finden, als müßte er ringen, um alles unter Kontrolle zu behalten.
    Warum fand sie ihn nur so reizvoll?
    |280| Zehn zu eins, daß er ein Schwein ist, er ist so selbstsicher.
    Oder nicht?
    Sie war immer sinnlich gewesen, tief in ihrem Inneren. So sah sie sich jedenfalls selbst. Aber eine Frau lernte mit den Jahren, daß ihre Selbstsicht nur Teil der Wahrheit war. Der andere Teil war die Außenwelt, die Art, wie Männer einen sahen. Und Frauen, die maßen und verglichen und einem einen Platz in der langen Nahrungskette des Liebesspiels zuwiesen. Man lernte, damit zu leben, man paßte seine Erwartungen und Träume und Phantasien an, um ein sensibles Herz zu schützen, dessen Wunden nach Enttäuschungen sehr langsam heilten. Bis man mit dann und wann einmal zufrieden war, mit der kontrollierten Intensität gestohlener Momente, mit einem im Grunde faden Polizisten, dem Ehemann von jemand anderem. Und hier und heute wünschte sie sich, groß und schlank, blond und schön zu sein, mit großen Brüsten und vollen Lippen und einem hübschen Po, so daß dieser Mann etwas Unsittliches vorschlug.
    Und was tat sie?
    Sie forderte ihn intellektuell heraus, obschon sie in allem so durchschnittlich war.
    »Sagen Sie mir etwas Böses«, entgegnete er.
    »Hitler.«
    »Hitler ist das häufigste Beispiel«, sagte er. »Aber ich darf Sie fragen: War er schlimmer als Queen Victoria?«
    »Wie bitte?«
    »Sie hat den Frauen und Kindern der Buren Porridge mit Glasscherben darin gegeben. Was ist mit der Politik der verbrannten Erde? Vielleicht waren das ihre Generäle. Vielleicht hatte sie keine Ahnung davon. Genau wie P. W. Botha. Wenn man alle Kenntnis bestreitet, ist man dann gut? Was ist mit Josef Stalin? Idi Amin? Wie messen wir? Sind Zahlen der ultimative Maßstab? Definiert die Anzahl der Opfer den Status auf der immerwährenden Skala von Gut und Böse?«
    »Die Frage ist doch nicht, wer am schlimmsten ist. Die Frage ist: Gibt es Menschen, die das Böse verkörpern?«
    |281| »Lassen Sie mich Ihnen von Jeffrey Dahmer erzählen. Dem Serienmörder. Wissen Sie, wer das ist?«
    »Der Schlachter von Milwaukee.«
    »War er der Böse?«
    »Ja.« In ihrer Stimme lag jedoch wenig Überzeugung.
    »Die Literatur sagt, daß Dahmer sieben oder neun Jahre lang, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, sagen wir, sieben Jahre lang, den Drang zu töten unterdrückte. Dieses zerbrochene, elende, schreckliche Wrack von einem Mann behielt diesen fast unmenschlichen Drang sieben Jahre lang für sich. Ist er dennoch böse? Oder etwa ein Held? Wie viele von uns kennen diesen Druck, diese Intensität? Wir, die nicht einmal mit einfachen, schlichten Gefühlen wie Eifersucht oder Leid klarkommen.«
    »Nein«, sagte sie. »Er hat gemordet. Mehrfach. Er hat schreckliche Dinge getan. Es ist egal, wie lange er zuvor ausgehalten hat.«
    Zatopek lächelte sie an. »Ich gebe auf. Es ist ein endloser Streit. Ich vermute, am Schluß geht es um die persönliche Einschätzung, über die man nicht diskutieren kann. Religion. Normen, Werte. Wie man sich sieht, wie man andere sieht, was man ist, was man erfahren hat.«
    Sie hatte keine Antwort darauf und blieb einfach nur stehen. Ihr Gesicht war ausdruckslos, aber ihr Körper kam ihr zu klein vor, um alles zu beinhalten, was sie empfand.
    »Vielen Dank«, sagte sie, um das Schweigen zu brechen.
    »Thobela Mpayipheli ist ein guter Mann. So gut, wie die Welt ihn zu sein erlaubt. Vergessen Sie das nicht!«
     
    Er legte gerade die R 1150 GS hin, als er das Dröhnen des Hubschraubers näher kommen hörte.
    Er hatte sich das steile Ufer zum Fluß heruntergekämpft, er war mit durchdrehendem Hinterrad durch Gras und Büsche direkt unter die Betonbrücke gefahren. Es würde schwierig sein, ihn hier zu entdecken. Weder der seitliche noch der mittlere Ständer waren hier von Nutzen;

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