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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Hinten im Hubschrauber war eine Metallkiste mit einem roten Kreuz darauf festgeschraubt. Versiegelt.
    Thobela erhob sich und stöpselte den Kopfhörer aus. Er brach das Siegel und öffnete die Kiste. Der Inhalt war alt, aber es gab Verbandszeug, Schmerzmittel, Salbe, Desinfektionsmittel, Spritzen mit Arzneien, die er nicht kannte, alles verpackt in einen Leinenbeutel. Er nahm ihn heraus und kehrte zurück zu seinem Sitz, steckte den Kopfhörer wieder ein, sah nach Besatzung, Flughöhe, Richtung. Er legte das Verbandszeug zur Seite und versuchte, die Beschriftungen auf den Salbentuben und Pillenschachteln im Dämmerlicht zu lesen. Was er brauchte, legte er ebenfalls zur Seite.
    Im Geiste hörte er die Stimme seiner Mutter. Er war vierzehn. Sie spielten am Fluß. Sie fingen Iguanas, und ein scharfes Schilfblatt schnitt wie ein Messer in sein Bein. Zuerst hatte er nur ein Stechen verspürt. Als er hinabschaute, war da eine tiefe Wunde, bis auf den Knochen, er konnte ihn sehen, über der Kniescheibe, reines Weiß hinter seiner dunklen Haut. Er konnte das Blut sehen, das sofort von überall her einsickerte, wie Soldaten, die sich an die Front stürzten. »Seht mal«, sagte er stolz zu seinen Freunden, die Hände um sein Bein gelegt, die Wunde groß und sehr beeindruckend, »Ich geh nach Hause, bis bald.« Er hinkte zu seiner Mutter und beobachtete mit großer Neugier, wie das Blut an seinem Bein herunterlief, als wäre es nicht seines. Seine Mutter |315| stand in der Küche, er mußte nichts sagen, er grinste nur. Sie erschrak. »Thobela« – ihr Sorgenschrei. Sie setzte ihn auf den Rand der Badewanne und desinfizierte die Wunde mit zärtlichen Händen und unter leisem Murmeln mit Hilfe schneeweißer Wattebäusche, der Duft von Dettol, das Brennen, der Verband und die Pflaster, die Stimme seiner Mutter, beruhigend, liebevoll, die zärtlichen Hände. Die Sehnsucht in ihm wuchs, nach ihr, nach dieser sorglosen Zeit, nach seinem Vater. Er konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart, der Kompaß stand immer noch auf 355.
    Er erhob sich und drückte dem Co-Piloten die Maschinenpistole in den Nacken. »Diese Hubschrauber – wie schnell sind die?«
    »Äh …«
    »Wie schnell?« Er stieß dem Mann den Lauf der Waffe in die Wange.
    »Ungefähr zwei-achtzig«, sagte der Pilot.
    »Und wie schnell sind wir?«
    »Eins-sechzig.«
    »Können wir nicht schneller?«
    »Nein«, sagte der Pilot. »Wir können nicht schneller.« Nicht überzeugend.
    »Lügst du mich an?«
    »Schau dir doch diese verdammte Kiste an. Sieht die aus wie ein Windhund?«
    Thobela sank zurück auf seinen Sitz.
    Der Mann log. Aber was sollte er tun?
    Sie würden es nicht schaffen, die Grenze war zu weit weg.
    Was würden die Rooivalks unternehmen, wenn sie aufgeholt hatten?
    Er zog eine weitere Wasserflasche aus einem der Rucksäcke und schraubte sie auf, er hob sie an die Lippen und trank. Das Wasser schmeckte nach Kupfer, es kam ihm eigenartig vor, aber er trank es gierig. Die Flasche zitterte in seiner großen Hand. Teufel, wie er zitterte! Er atmete |316| langsam ein, langsam aus. Wenn er es bis Botswana schaffte, dann hatte er eine Chance.
    Er begann, die Wunde langsam und sorgfältig zu reinigen.
     
    Denn wenn er immer noch Umzingeli wäre, dann hätten sie inzwischen mindestens vier Leichen.
    Das hatte der Umweltminister gesagt, und nun gab es eine Leiche, und Janina Mentz fragte sich, ob die Götter sich gegen sie verschworen hatten. Wie groß war die Chance, daß die perfekte Operation, so gut geplant und geschmeidig ausgeführt, einen ehemaligen KGB-Killer anzog?
    In diesem Augenblick des Selbstmitleides fand sie die Wahrheit. Die Grundlage der Vernunft, auf die sie aufbauen konnte.
    Es war kein Zufall.
    Johnny Kleintjes hatte seine Tochter angewiesen, sich an Thobela Mpayipheli zu wenden, wenn ihm etwas zustieße. Hatte er eine Vorahnung gehabt? Hatte der alte Mann befürchtet, daß etwas schiefgehen würde? Oder spielte er ein anderes Spiel? Irgend jemand hatte von der ganzen Sache gewußt, jemand hatte in Lusaka gewartet und die CIA ausgeschaltet, und die große Frage war: wer?
    Die Möglichkeiten machten sie schier wahnsinnig, die zahllosen Möglichkeiten. Es konnte die National Intelligence Agency ihres eigenen Landes sein oder der Geheimdienst oder die Military Intelligence – die Rivalität, der Haß, die Korruption waren von bedauerlichem Umfang.
    Was sich auf der Festplatte befand, war die zweite große Frage, denn das war der Schlüssel

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