Das Herz des Jägers
sie hörten es. Sie schauten sie an, alle.
Als er an ihre Tür klopfte, hatte Allison bereits geduscht, sich umgezogen, Musik aufgelegt, über die Helligkeit des Lichts gegrübelt, eine Zigarette angezündet und sich in ihren Sessel im Wohnzimmer gesetzt, um ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Doch nachdem sie das leise Klopfen gehört hatte, war es damit vorbei.
Janina Mentz ging in der Mitte, die beiden Männer rahmten sie ein – Quinn, von brauner Hautfarbe, schlank und sportlich, Rajkumar unsagbar dick, wie zwei nicht zueinander passende Buchstützen. Sie gingen ohne ein Wort die Wale Street entlang, bogen an der Kirche an der Ecke in Richtung des Gerichtsgebäudes ab. Das einzige Geräusch war Rajkumars Keuchen, denn es fiel ihm nicht leicht, Schritt zu halten. Die beiden Männer wußten, daß sie Zuhörern auswichen. Sie ließen sie vorangehen.
Sie überquerten die Queen Victoria und gingen in den Botanischen Garten, der nun dunkel und voll der Schatten historischer Bäume und Sträucher war, Tauben und Eichhörnchen |320| schwiegen. Hierher hatte sie an sonnigen Tagen mit ihrem Ex-Mann zusammen die Kinder gebracht, aber selbst bei Tag flüsterte der Garten leise, in den dunklen Ecken gab es kleine, geheimnisvolle Oasen. Sie ging zu einer der Holzbänke, schaute hinüber zu den Lichtern des Parlaments auf der anderen Seite und den Obdachlosen in ihren Schlafsäcken auf dem Rasen.
Ironisch.
»Gut«, sagte sie, als alle saßen. »Ich sage euch, wie es wirklich steht.«
Zatopek van Heerden hatte Wein mitgebracht, den er öffnete und in Gläser einschenkte, die sie ihm reichte.
Sie waren unsicher miteinander, ihre Rollen ganz anders als am Nachmittag, die Erkenntnisse, die sie teilten, vermieden sie, umgingen sie, ignorierten sie einfach.
»Was haben Sie nicht verstanden?« fragte er, als sie sich gesetzt hatten.
»Sie haben von genetischer Fitneß gesprochen.«
»Oh, das.«
Er betrachtete sein Glas, der Rotwein leuchtete zwischen seinen Händen. Dann schaute er auf, und Allison sah, daß er wollte, daß sie etwas anderes sagte, daß sie ihm eine Tür öffnete, und sie konnte nicht anders, sie stellte die Frage, vor deren Antwort sie sich fürchtete. »Sind Sie allein?« Sie merkte, daß sie es deutlicher formulieren mußte. »Haben Sie eine Partnerin?«
36
»Nein«, sagte er und lächelte.
»Was ist?« fragte Allison unnötigerweise, denn sie wußte es im Grunde. »Der Unterschied zwischen uns. Zwischen Männern und Frauen. Mir ist er immer noch … rätselhaft.«
Sie lächelte mit ihm.
Er schaute sein Glas an, während sie sprach, die Stimme |321| leise. »Wie oft im Leben weiß man, daß die Anziehung gegenseitig ist? Erwidert wird?«
»Ich weiß es nicht.«
»Zu selten«, sagte er.
»Und ich frage, ob es noch jemand anders gibt.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich verstehe das schon.«
»Ist dir das egal?«
»Im Augenblick ja. Später sicher nicht.«
»Eigenartig«, sagte sie, zog an ihrer Zigarette, nahm einen Schluck Wein, wartete. Er stand auf, stellte das Glas auf den Couchtisch und ging zu ihr herüber. Sie wartete einen Augenblick, dann beugte sie sich vor, um ihre Zigarette auszudrücken.
Tiger Mazibuko saß allein in der Oryx. Draußen, bei der Brücke, wo Little Joe gestorben war, warteten seine Männer, aber er dachte nicht an sie. Er hatte die Karten bei sich, Karten von Botswana. Er summte leise, während seine Finger darüber fuhren, er summte einen unerkennbaren, monotonen Refrain, als das Mobiltelefon klingelte. Er wußte, wer am Apparat sein würde.
»Was ich wirklich will«, sagte er sofort, »ist, dieses Arschloch mit einer Rakete vom Himmel zu schießen, am besten noch diesseits der Grenze.« Seine Stimme klang entspannt, er wählte seine Worte sorgfältig. »Aber ich weiß, daß das nicht geht.«
»Stimmt«, sagte Janina Mentz.
»Und ich gehe davon aus, daß wir auch nicht bei unseren Nachbarn um Hilfe anfragen werden.«
»Stimmt ebenfalls.«
»Nationalstolz und dann auch noch das kleine Problem der sensiblen Daten in fremden Händen.«
»Ja.«
»Ich will ihm auflauern, Ma’am.«
»Tiger, das ist nicht nötig.«
»Was soll das heißen?«
|322| »Diese Leitung ist nicht sicher. Glauben Sie mir einfach. Die Prioritäten haben sich verändert.«
Er drehte fast durch, die Wut quoll von unten herauf wie Lava.
Die Prioritäten haben sich verändert
: Herr im Himmel, er hatte einen Mann verloren, er war gedemütigt worden und hatte eine halbe Odyssee
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