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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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der Durst ließ seinen Mund wie Kreide schmecken. Er mußte wach bleiben, er mußte bereit sein.
    »Wie lange dauert es nach Lobatse?«
    »Eine Stunde, vielleicht ein weniger länger.«
     
    Die Stimmung im Einsatzraum war furchtbar.
    Janina Mentz saß am Konferenztisch und versuchte, die Anspannung aus ihrem Gesicht zu verbannen. Sie hörten der Kakophonie über Funk zu. Dort herrscht Chaos, dachte sie, überall Chaos, das Treffen mit dem Amerikaner war Chaos gewesen, die Rückfahrt mit dem Direktor war nicht gut gelaufen, und hier hatte sie ein demoralisiertes Team vorgefunden.
    Inzwischen wußten alle vom Tod Miriam Nzululwazis. Alle wußten, daß Radebe verschwunden war, alle wußten, daß ein RU-Mitglied schwer verwundet war, und der Flüchtige – niemand wußte, wo der Flüchtige war.
    |309| Chaos. Und sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
    Im Wagen hatte sie versucht, mit dem Direktor zu sprechen, aber zwischen ihnen herrschte eine große Distanz, das Vertrauen war verlorengegangen, und sie wußte nicht, warum. Verdächtigte er nun auch sie? Oder war sie einfach nur die Überbringerin schlechter Nachrichten? Oder betrachtete der Direktor das ganze Chaos als Bedrohung für seine Karriere? Überlegte er schon, wie er diesen Schlamassel der Ministerin erklären sollte?
    Sie hörte den ersten Rooivalk beim verwundeten Soldaten landen.
    Sie hörte Da Costa über das Funkgerät des Rooivalks Meldung erstatten.
    Thobela Mpayipheli hatte den Oryx in seine Gewalt gebracht.
    Sie hörte Tiger Mazibukos Reaktion, den Schwall Flüche.
    Er ist nicht der richtige Mann für diese Situation, dachte sie. Wut half jetzt gar nichts. Sie mußte eingreifen. Sie wollte aufstehen, als sie Mazibuko die anderen Rooivalks rufen hörte. »Der Hund will nach Botswana. Wir müssen ihn aufhalten. Schnappt euch diesen Oryx!«
    Einer nach dem anderen bestätigten die Kampfhubschrauber ihren neuen Auftrag.
    Was glaubst du, Tiger? Sollen wir den Oryx abschießen, mit unseren Leuten darin?
    Wahnsinn.
    »Und schafft Little Joe ins Krankenhaus«, sagte Mazibuko über Funk.
    »Zu spät, Captain«, sagte Da Costa.
    »Was?« sagte Mazibuko.
    »Er ist tot, Captain.«
    Zum ersten Mal war es still im Äther.
     
    Vincent Radebe betrachtete den schlafenden Jungen in seinem Wohnzimmer in Sea Point. Er hatte ihm die Schlafcouch ausgeklappt und den Fernseher eingeschaltet, er |310| hatte durch die Programme gezappt, bis er etwas Passendes fand.
    »Ich möchte nicht Fernsehen schauen«, sagte Pakamile, aber er konnte den Blick nicht vom Bildschirm lösen.
    »Warum nicht?«
    »Ich will nicht dumm werden.«
    »Dumm?«
    »Thobela sagt, Fernsehen macht Menschen dumm. Er sagt, wenn man klug sein will, muß man lesen.«
    »Da hat er recht, doch es ist zu viel Fernsehen, das einen dumm macht. Wir schauen ja nur ein bißchen.«
    Bitte, lieber Gott, betete er stumm, laß mich das Kind beschäftigen, laß ihn einschlafen, damit ich nachdenken kann.
    »Nur ein bißchen?«
    »Nur bist du einschläfst.«
    »Das müßte okay sein.«
    »Ich verspreche dir, daß es okay sein wird.«
    Aber was ließ man so ein Kind sehen?
    Zum Glück lief auf irgendeinem Kanal eine Serie über die stolzen Löwen der Kalahari, und er sagte: »Das hier macht dich auch noch klug, denn es geht um Natur.« Pakamile nickte fröhlich und machte es sich bequem. Vincent hatte zugesehen, wie der Schlaf seinen unsichtbaren Schleier über das Gesicht des Jungen breitete, langsam und zärtlich, bis ihm die Augen zufielen.
    Radebe schaltete den Fernseher und das Licht im Wohnzimmer aus. Das Licht in der offenen Küche ließ er an, damit der Junge sich nicht erschrak, wenn er nachts aufwachte. Er stand auf dem Balkon und dachte nach. Das Ganze war eine schreckliche Angelegenheit.
    Er würde ihm sagen müssen, daß seine Mutter tot war.
    Irgendwann. Es war nicht richtig, ihn anzulügen.
    Er mußte dem Jungen Kleidung besorgen. Und eine Zahnbürste.
    Sie konnten nicht hierbleiben, Mentz würde herausbekommen, |311| daß er den Jungen abgeholt hatte, und sie würden ihn mit in ihr kleines Verhörzimmer nehmen.
    Wo konnten sie hin?
    Jedenfalls nicht zur Familie. Dort würde Mentz als erstes suchen. Auch Freunde waren gefährlich.
    Also wohin?
     
    Allison Healy zündete sich eine Zigarette an, bevor sie den Wagen anließ. Sie inhalierte und blies den Rauch in Richtung Windschutzscheibe, sie sah zu, wie er sich auf der Innenseite ausbreitete.
    Ein langer Tag. Ein merkwürdiger Tag.
    Sie war aufgewacht

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