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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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und hatte nach einer Geschichte gesucht und eine Komplikation gefunden.
    Augenblicke der Wahrheit. Heute abend hatte sie einen anderen Anfang schreiben wollen.
     
    Thobela Mpayipheli, der flüchtige Motorradfahrer, ist ein ehemaliger Attentäter des KGB.
     
    Nein.
     
    Thobela Mpayipheli, der Mann, den die Medien den »großen, bösen BMW-Biker« tauften, ist ein ehemaliger KGB-Attentäter.
     
    Sie hatte sich schon früher über Vertraulichkeitsvereinbarungen hinweggesetzt.
    Die Leute meinten auch nicht immer, was sie sagten. Die Quelle redete und redete, und irgendwo zwischendurch sagte jemand: »Das können Sie aber nicht schreiben«, und am Ende konnte sich keiner erinnern, was man nun schreiben dürfte und was nicht. Natürlich lagen die wirklich saftigen Stellen, die echten Nachrichten, immer in diesem Bereich. Manche Leute nutzten das Ganze auch nur als eine Art von Sicherheitsnetz, wollten aber in Wirklichkeit, daß man alles schrieb, solange sie hinterher nur |312| abwehren konnten: »Ich habe Ihnen doch gesagt, es ist vertraulich.«
    Manchmal schrieb man es einfach trotzdem.
    Manchmal überschritt man die Grenze bei vollem Verstand, man wog die Konsequenzen gegeneinander ab, man schuf einfach Fakten, und wenn die Leute dann wütend waren – sie würden schon darüber hinwegkommen, denn sie brauchten einen, man gehörte nun einmal zu den Medien. Bei anderen war es egal – sollten sie doch wütend sein, sie hatten es nicht anders verdient.
    Heute war die Versuchung ausgesprochen groß gewesen.
    Was hatte sie aufgehalten?
    Allison zog ihr Handy heraus. Sie fühlte ihr Herz in der Brust schlagen.
    Sie suchte nach der Nummer unter ANGENOMMENE ANRUFE, drückte auf einen Knopf und hielt das Telefon ans Ohr.
    Es klingelte einige Male. »Van Heerden.«
    »Sie haben etwas gesagt, das ich nicht verstehe.«
    Er antwortete nicht gleich. In der Stille lag eine Bedeutung.
    »Wo sind Sie?«
    »Unterwegs nach Hause.«
    »Wo wohnen Sie?«
    Sie gab ihm die Adresse.
    »Ich bin einer halben Stunde da.«
    Sie steckte das Telefon in die Tasche und nahm einen langen Zug von ihrer Zigarette.
    Großer Gott, was tat sie da bloß?

35
    Es war nicht einfach, den Kompaß im Auge zu behalten, die Höhe zu kontrollieren, ein Auge auf die Besatzung zu haben und die Sporttasche aus der Gepäcktasche des Motorrads |313| zu zerren, während er die Maschinenpistole in einer Hand hielt.
    Thobela tat es Schritt für Schritt, er war sich der Notwendigkeit bewußt, sich zu konzentrieren. Nichts mußte schnell gehen, er mußte nur aufmerksam bleiben und alle Variablen im Auge behalten. Er stellte die Tasche neben sich.
    Er zog sein Hemd hoch, um an die Wunde heranzukommen. Es sah nicht gut aus.
    Er hörte den ersten Rooivalk bei den Soldaten landen, er lauschte den Berichten. Er hörte den Befehl an die Rooivalks, ihnen hinterherzufliegen.
    Sie wußten, daß er nach Botswana wollte.
    Es war die Stimme von heute morgen.
    Mein Name ist Captain Tiger Mazibuko. Und ich spreche mit einem Toten.
    Noch nicht, Captain Mazibuko. Noch nicht.
    Mazibuko bellte:
Und schafft Little Joe ins Krankenhaus.
    Zu spät, Captain.
    Was?
    Er ist tot, Captain.
    Der Pilot schaute auf, er sah den Xhosa vorwurfsvoll an. Die Ungerechtigkeit fiel Thobela auf, aber das war nun irrelevant. Sein Status hingegen war relevant. Und der hatte sich dramatisch verändert. Vom illegalen Kurier war er, aus ihrer Sicht, zu einem Mörder geworden.
    Er schaute hinunter auf die Wunde.
    Er mußte sich auf sein Überleben konzentrieren.
    Mehr als je zuvor.
    Er konnte sehen, daß es sich nicht nur um eine Kugel handelte: Eine hatte ein Stück Fleisch knapp oberhalb des Hüftknochens herausgerissen, die andere war eingedrungen und hatte sich offenbar im Zickzack fortbewegt – sie mußte bis zum Hüftknochen vorgedrungen sein. Sich verdickendes Blut bedeckte die Wunden. Er zog ein Hemd aus der Tasche und begann die Wunden zu säubern. Er blickte auf und |314| bemerkte, daß der Co-Pilot ihn beobachtete, der Mann sah die Wunden und wurde blaß.
    Thobela schaute auf den Kompaß, starrte hinaus, unten konnte er die Landschaft im Mondlicht vorbeifliegen sehen.
    Er sah sich im Inneren des Hubschraubers um. Einige Dinge der Soldaten waren zurückgeblieben: Rucksäcke, zwei Metallkisten, ein Taschenbuch. Er drehte die Rucksäcke mit seinem linken Fuß um, entdeckte zwei Wasserflaschen und nahm sie aus ihren Halterungen.
    »Ich brauche Verbandszeug«, sagte er. Der Co-Pilot zeigte mit dem Finger.

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