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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ausgesehen?«
    »Wie ein Löwe. Groß und stark.«
    »Wo ist er lang gefahren?«
    »Da lang.« Der Mann zeigte nach Norden.

40
    Allison, die Zuschauerin.
    Darin war sie schon immer gut gewesen, vom Rand aus zuzusehen, Teil einer Gruppe zu sein, sich aber von den anderen unabhängig zu fühlen. Sie hatte sich darüber Sorgen gemacht, sie hatte Stunden darüber nachgedacht, es jahrelang analysiert, und letztlich war sie zu dem Schluß gekommen, daß sie nun einmal so funktionierte, ihr Hirn war eben versehentlich so verdrahtet worden, niemand konnte etwas dafür. Gestern nachmittag schon hatte sie gewußt, daß Van Heerden ihr darin ähnelte. Zwei Andersartige hatten sich in einem Meer der Normalität gefunden, zwei Inseln waren entgegen aller Wahrscheinlichkeit zusammengestoßen. Aber nun hatte sie sich wieder von den anderen entfernt, sie empfand es trotz allem als eine Art Verrat, so zu tun, als gehörte man dazu, wenn dies nicht der Fall war. Man wußte, daß man nicht dazugehörte. Der Vorteil war, daß sie deshalb eine gute Reporterin abgab, denn sie sah, was den anderen verborgen blieb.
    Und bei diesen Verhandlungen gab es eine verborgene Strömung.
    |351| Das Gespräch war gestelzt, englisch, Erwachsene sprachen eine Erwachsenen-Sprache, damit das Kind unwissend blieb und die schmerzhafte Wahrheit erst später ans Licht kam.
    Das Gespräch sei nicht offiziell, erklärte die Ministerin. Der Inhalt war zu sensibel, und sie wollte dies von allen Anwesenden bestätigt haben.
    Einer nach dem anderen nickte.
    Gut, sagte sie. Ein Kinderpsychologe sei unterwegs. Außerdem zwei Frauen aus dem Kindergarten, denn der Therapeut hatte gesagt, bekannte Menschen seien eine Hilfe, wenn man dem Kind die Nachricht überbrachte. Außerdem kämen bald ein Mann und eine Frau vom Jugendamt. Erfahrene Leute.
    Man werde alles tun, was der Staat leisten konnte, man werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, denn es handele sich um eine Tragödie.
    Allison las den Subtext. Die Ministerin schaute die andere anwesende Frau an, nicht ständig, aber als wollte sie sich vergewissern, daß sie auf dem richtigen Weg war.
    Diese andere Frau war nicht offiziell vorgestellt worden. Sie saß da in ihrem Kostüm wie eine Finalistin als »Geschäftsfrau des Jahres«, graue Hose, schwarze Schuhe, weiße Bluse, graues Jackett, die Hände manikürt, die Nägel aber nicht lackiert, das Make-up sanft und unauffällig, das Haar zurückgebunden, der Blick ausdruckslos, ein Hauch Schönheit in einem Gesicht voll strenger, unnahbarer Züge, aber die Körpersprache war am lautesten, verriet ihre Kontrolle; die Frau war autoritär, getrieben, selbstsicher.
    Wer war das?
    Eine Tragödie, sagte die Ministerin, sorgsam wählte sie Erwachsenen-Worte und Phrasen, Euphemismen und Sprachbilder, um das Kind zu schonen. Unschuldige Menschen waren zufällig hineingezogen worden. Sie werde nur zu gern den Medien alles erzählen, aber das sei unmöglich, also habe sie eine Bitte. Man werde ihr trauen müssen, daß man kein Omelett machen könne, ohne Eier zu zerbrechen. Allison |352| bekam eine Gänsehaut. Man lebe in einer gefährlichen Welt, einer komplizierten Welt, und dieser jungen Demokratie beim Überleben zu helfen, sei viel schwieriger, als die Presse sich jemals vorstellen könne.
    Es lief eine Operation, eine sensible, notwendige, sorgsam geplante Operation, die voll und ganz den Grundlagen des National Strategic Intelligence Act von 1994 folgte und die dem nationalen Interesse diente; sie sagte das nicht leichthin, sie wußte, wie oft diese Worte in der Vergangenheit mißbraucht worden waren, aber sie mußten ihr einfach glauben. Nationales Interesse.
    Eines wollte sie ganz klarstellen: Die Operation, so wie sie der Geheimdienst geplant hatte, verlangte nicht nach der Einbeziehung unschuldiger Menschen. Um ganz offen zu sein, hatte man sich jede Mühe gegeben, das zu vermeiden. Aber es war nicht alles glatt gelaufen. Entwicklungen, die niemand hatte vorhersehen können. Die Operation, die so gut begonnen hatte, war entgleist. Zivilisten waren hineingezogen worden. Ein unschuldiger Mitbürger war durch das unlautere Zutun einer dritten Partei in die Sache verwickelt worden, und so war es zu der Tragödie gekommen. Wenn sie die Uhr zurückdrehen und das ändern könnte, würde sie es tun, aber sie wußten alle, daß dies unmöglich war. Eine Tragödie, denn eine Zivilistin war verstorben, wahrscheinlich durch Selbstmord; das Motiv und die genauen Umstände

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