Das Herz des Jägers
hineingehen und etwas besprechen, Pakamile. Bleibst du eine Weile bei diesem netten Mann?«
Der ganze Körper des Jungen zog sich ängstlich zusammen. Er schaute den Sekretär an und schüttelte den Kopf. »Ich will bei dir bleiben.« Allison drückte ihn an sich und wußte nicht, was sie machen sollte.
|348| Der Sekretär sagte leise etwas auf Xhosa, und sie forderte streng: »Sprechen Sie so, daß ich Sie verstehen kann.«
»Ich habe nur gesagt, daß ich ihm eine Geschichte erzähle.«
Pakamile schüttelte den Kopf. »Ich will bei dir bleiben.« Sie war zu seinem Anker geworden, als Radebe ihn an sie weitergereicht hatte; er war verwirrt, verängstigt, allein. Er hatte hundertmal nach seiner Mutter gefragt, und sie wußte nicht, wie viel mehr sie noch ertragen konnte.
»Er kommt mit uns mit«, sagte ihr Nachrichtenchef zu dem Sekretär.
Sie waren vier, den Jungen nicht mitgerechnet. Der Nachrichtenchef und sie, der Chefredakteur und ein Nachrichtenredakteur; keiner von ihnen war je zuvor hier gewesen. Die Tür ging auf, die Ministerin stand da und schaute Pakamile an, und tatsächlich lag Mitgefühl in ihrem Blick.
Sie hielt ihnen die Tür auf, und Allison ging mit dem Jungen voran, die Männer kamen hinterher. Drinnen saßen bereits eine weiße Frau und ein schwarzer Mann. Der Mann erhob sich und sie sah, daß er klein war und einen Buckel hatte.
Thobela tankte in Mahalapye und überquerte dann die Straße, um in dem kleinen Café nach einer Zeitung zu suchen, aber in der Lokalzeitung stand nichts, also fuhr er weiter. Die afrikanische Hitze stieg vom schwarzen Asphalt auf, die Sonne brannte gnadenlos. Er hätte mehr Tabletten nehmen sollen, die Schmerzen der Wunden lähmten ihn. Wie schlimm stand es um ihn?
Hütten, kleine Farmer, Kinder, die sorglos neben der Straße spielten, zwei Ziegen, die auf der Suche nach grünem Gras über die Straße zockelten. Oh, Botswana, warum konnte sein eigenes Land nicht so sorglos sein, so arm an Problemen? Warum konnten die Gesichter der Menschen nicht so entspannt bleiben, so freundlich, so friedlich? Was war der Unterschied? Doch nicht die künstlich durch die Savanne |349| gezogenen Linien, die sagten, das eine Land endet hier, das andere beginnt dort.
Hier war weniger Blut geflossen, so viel stand fest. Die Geschichte war viel einfacher verlaufen. Aber warum?
Vielleicht hatten sie weniger Gründe, Blut zu vergießen. Weniger atemberaubende Ausblicke, weniger fruchtbare Weiden, weniger Hitzköpfe, weniger wertvolle Mineralien. Vielleicht bestand darin der Fluch Südafrikas, es war das Land, in dem Gott die Hand ausgerutscht war, er hatte es mit allem bedacht – grünen Bergen und Tälern, weiten Wiesen, so weit das Auge sehen konnte, wertvollen Metallen, teuren Edelsteinen, Mineralien. Dann sah er es sich an und dachte:
Ich lasse es so, es ist eine Probe, eine Versuchung; ich werde hier Menschen mit großem Hunger ansiedeln, ich werde sie aus ganz Afrika und dem weißen Norden kommen lassen, und dann werde ich ja sehen, was sie mit diesem Paradies anstellen.
Oder vielleicht lag Botswanas Glück auch nur darin, daß der Unterschied zwischen reich und arm so viel geringer war. Weniger Neid, weniger Haß. Weniger Blut.
Wieder mußte er daran denken.
Verschwunden
, dieser Refrain wiederholte sich unaufhörlich in seinem Kopf,
verschwunden,
es vermischte sich mit dem monotonen Dröhnen des GS-Motors, der Wind zischte um seinen Helm, der Puls seines Herzens drückte schmerzhaft Blut in seine Hüfte. Er schwitzte, die Hitze nahm mit jedem Kilometer zu, sie kam aus seinem Inneren. Er mußte vorsichtig sein, er mußte sich zusammenreißen, er mußte sich ausruhen, er mußte trinken, er mußte sich konzentrieren. Er war krank. Er zählte die Kilometer, er konzentrierte sich darauf, seine Durchschnittsgeschwindigkeit zu berechnen, so viele Kilometer pro Minute. Wie viele Stunden blieben noch?
Schließlich hielt Thobela in Francistown.
Mühsam stieg er an der Tankstelle ab, stellte das Motorrad auf den Ständer. Die Wunde fühlte sich schmierig an, als hätte sie sich wieder geöffnet.
|350| Die Stimme des Tankwarts aus der Ferne. »Dein Freund hat heute früh nach dir gefragt.«
»Mein Freund?«
»Er ist heute morgen mit seinem Golf hier vorbeigefahren.« Als würde das alles erklären.
»Ich habe keinen Freund mit einem Golf.«
»Er hat gefragt, ob wir dich gesehen hätten. Einen Schwarzen auf einer großen, orangefarbenen BMW.«
»Wie hat er
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