Das Herz des Jägers
ging sie schon die nächsten Schritte durch, sie zeichnete die Karte des Tages.
Sie zog eine schwarze Hose und eine weiße Bluse an, schwarze Schuhe, wischte den Dampf vom Spiegel, bürstete ihr Haar und schminkte sich, dann ging sie zuerst in ihr Büro, um die Akten zu holen, und danach zum Direktor.
Sie klopfte.
»Kommen Sie herein, Janina.« Als hätte er auf sie gewartet.
Sie öffnete die Tür und trat ein. Er stand am Fenster, er schaute über die Wale Street zu den Regierungsgebäuden hinüber und auf den dahinterliegenden Tafelberg. Es war ein klarer, sonniger Morgen, die Flaggen auf der anderen Straßenseite schaukelten leicht im Wind.
»Ich muß Ihnen etwas gestehen, Sir.«
Er wandte sich nicht um. »Das müssen Sie nicht, Janina. Es lag am Regen.«
»Nicht deswegen, Sir.«
Wenn er so wie gemeißelt vor dem Fenster stand, war sein Buckel nicht zu übersehen. Es war, als trüge er eine Last. Er stand so still, als wäre er zu müde, sich zu rühren.
»Die Ministerin hat schon zweimal angerufen. Sie will wissen, ob diese Angelegenheit uns Probleme bereiten wird.«
»Das tut mir leid, Sir.«
»Das muß es nicht, Janina. Mir tut es nicht leid. Wir machen |169| unseren Job. Die Ministerin hat ihren zu tun. Sie wird dafür bezahlt, mit Peinlichkeiten klarzukommen.«
Sie legte die Akten auf den Tisch. »Sir, ich habe Johnny Kleintjes in diese Sache hineingezogen.«
Er rührte sich nicht. Das Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.
»Am siebzehnten März diesen Jahres wurde ein moslemischer Extremist von der Polizei verhaftet, da er unlizensierte Feuerwaffen bei sich trug. Es handelte sich um Ismail Mohammed, einen wichtigen Mitspieler, aller Wahrscheinlichkeit ein Mitglied von Pagad, Quibla und/oder MAIL. Wiederholt bat er um ein Treffen mit einem Vertreter des Geheimdienstes. Wir hatten das Glück, daß die Polizei sich zuerst an uns wandte. Ich habe Williams geschickt.«
Der Direktor wandte sich langsam um. Sie fragte sich, ob er letzte Nacht geschlafen hatte. Sie fragte sich, ob er dasselbe Hemd trug wie gestern. In seinem Gesicht war keine Spur von Müdigkeit.
Er ging zu dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch, sah ihr aber nicht in die Augen.
»Hier ist das vollständige Transkript des Verhörs. Nur Williams, der Schreibdienst und ich wissen davon.«
»Ich bin sicher, Sie hatten einen Grund, es mir nicht früher zu zeigen, Janina.«
An der Kombination aus Betonung, Körpersprache und dem Schleier über seinem Blick konnte sie nun doch erkennen, daß er müde war.
»Sir, ich habe eine Entscheidung getroffen. Ich denke, Sie werden mir letztlich zustimmen, daß sie vernünftig war.«
»Erklären Sie es mir.«
»Mohammed hatte Informationen über Inkululeko.«
Das war der Augenblick, auf den sie lange gewartet hatte. Er zeigte keine Reaktion, sagte nichts.
»Sie wissen, daß es seit Jahren Spekulationen und Verdächtigungen gibt.«
Der Direktor schien zu seufzen, als müßte er innere |170| Spannungen abbauen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Bitte setzen Sie sich, Janina.«
»Vielen Dank, Sir.«
Sie zog den Stuhl näher und atmete tief durch, um fortzufahren, aber er hob eine seiner kleinen Hände, die Handfläche rosafarben, die Nägel perfekt manikürt.
»Sie haben mir diese Information vorenthalten, weil ich unter Verdacht stehe.« Keine Frage, sondern eine freundliche Feststellung.
»Ja, Sir.«
»War das richtig so, Janina?«
»Ja, Sir.«
»Das denke ich auch.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Sie müssen sich nicht bei mir bedanken, Janina. Das erwarte ich von Ihnen. So habe ich es Sie gelehrt. Vertrauen Sie niemandem.«
Sie lächelte. Er hatte recht.
»Glauben Sie, daß ich jetzt alles wissen muß?«
»Ich denke, daß Sie von Johnny Kleintjes wissen müssen.«
»Dann dürfen Sie es mir erzählen.«
Sie dachte einen Augenblick nach, sammelte ihre Gedanken. Der Direktor würde von Inkululekos Geschichte aus den achtziger Jahren wissen, als man die Gerüchte aus den Anführerkreisen des ANC als Maßnahme der Gegenspionage abtat, die vom Regime bewußt plaziert wurde, um die Einheit zwischen Xhosas und Zulus zu zerrütten. Aber auch nach 1992 hielten die Gerüchte an, es ging um die Gewalt in Kwa-Zulu, um eine nie genau zu definierende Macht. Und seit den Wahlen 1994 hatte man das Gefühl, daß die CIA immer ein wenig zu gut informiert war.
Janina tippte auf die Akte vor sich. »Ismail Mohammed hat bei dem Verhör gesagt, daß Inkululeko ein hochrangiges Mitglied des
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