Das Herz des Loewen
sie von Carmichaels und Sutherlands umzingelt.
„Hakon, greift an!“, brüllte Comyn. „Ich verdopple Euren Sold!“
Der Anführer der Söldnertruppe musterte die Feinde, die sich in der Überzahl befanden, und schrie: „Tote Männer können kein Geld ausgeben. Außerdem verfolgt uns das Pech, seitdem ein Fuchs unseren Weg gekreuzt hat.“
Noch ein Hochland-Aberglaube, dachte Ross. Wie nützlich er doch diesmal war ...
Aber Comyn wollte nicht kampflos aufgeben. „Ihr Narren! “ Mit der linken Hand zog er einen Dolch aus dem Gürtel und hielt ihn an den Hals des schreienden Kinds. „Verschwindet, Carmichael, oder das Balg stirbt!“
„Wenn ich Euch entkommen lasse, wird der Kleine erst recht sterben.“ Nur mühsam verbarg Ross seine Furcht, während die Klinge Kierans zarte Haut berührte.
„Nein!“, erklang eine weibliche Stimme. „Das ist ein menschliches Wesen, keine Kriegsbeute, um die ihr beiden euch streiten könnt! “
„Megan! “, riefen Ross und Comyn wie aus einem Mund.
„Aye.“ Blitzschnell nutzte sie Comyns Verblüffung, um ihr Pferd neben seines zu lenken und nach dem Dolch zu greifen. Hastig entfernte er ihn aus ihrer Reichweite, doch nun wurde sein Handgelenk von Ross’ Fingern umklammert. „Lasst die Waffe fallen!“
„Niemals.“
Auge in Auge mit seinem Gegner, verdrehte Ross ihm das Handgelenk und beobachtete, wie die entschlossene Miene sich schmerzlich verzerrte. Kurz bevor die Knochen brachen, fiel der Dolch zu Boden. Aber Ross’ Triumph war nur von kurzer Dauer.
„Zurück, oder ich erwürge ihn“, drohte Comyn. Seine rechte Hand legte sich um die Kehle des Babys.
„Ross!“, stöhnte Megan, und ihr Blick flehte ihn an, den Sohn ihrer Schwester und seines Bruders zu retten.
Großer Gott, es war schon schlimm genug, dass er um Kierans Sicherheit bangen musste. Nun belastete ihn auch noch die Sorge um seine Gemahlin. Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu, der sie eigentlich zu den Sutherlands zurücktreiben musste. Stattdessen hielt sie ihre Stellung und starrte ihn an „Tu, was er sagt! “, befahl sie. „Sonst bringt er Kieran um.“
Glaubte sie, er wäre zu dumm, um das selber zu erkennen?
„Schachmatt! “, höhnte Comyn.
Nur wenn ich es zulasse, dachte Ross, schaute Megan eindringlich an und versuchte, ihr zu bedeuten, sie solle den Mund halten, ganz gleichgültig, was er sagen oder tun würde. Dann wandte er sich zu Comyn. „Also gut, nehmt das Kind mit.“
Erstaunt hob Comyn die blonden Brauen. „Ihr verzichtet auf Lions Sohn?“
„Ist er überhaupt von ihm?“
„Nun, er hat schwarzes Haar.“ Comyn lockerte den Griff um Kierans Hals und schob den Jungen ein wenig von sich, um ihm ins Gesicht zu blicken.
„Vielleicht hatte Siusan noch andere schwarzhaarige Liebhaber“, entgegnete Ross und ignorierte Megans Wutschrei.
„So leichtfertig war meine Siusan nicht“, erwiderte Comyn empört.
Ross zuckte die Achseln. „Nun ja, vielleicht ist der Kleine wirklich Lions Sohn. “
„Wenn Ihr Euch nicht sicher wart, warum seid Ihr uns dann gefolgt?“
„Weil Megan das Baby aufziehen will, und Ihr wisst ja, wie eigensinnig sie sein kann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.“
Dem widersprach Comyn nicht. „Aber ich habe meine eigenen Pläne mit dem Balg.“
Oh Gott, was hat dieser Verrückte vor, fragte sich Ross, und es kostete ihn große Mühe, in ruhigem Ton zu sprechen. „Warum schlichten wir unseren Streit nicht auf ritterliche Art?“
„Was meint Ihr?“
„Wir beiden sollten gegeneinander kämpfen.“
„Einverstanden.“ Grinsend entblößte Comyn seine Zähne. Offenbar zweifelte er an Ross’ Kampfkraft.
„Oh Ross!“, protestierte Megan, und die Angst, die in ihrer Stimme mitschwang, bestärkte Comyn in seiner Siegesgewissheit.
„Sei still! erwiderte er streng. „Ich weiß, was ich tue. Gebt ihr das Kind, MacDonell, und ...“
„Ha!“ Comyn beorderte Hakon zu sich, um ihm den Jungen anzuvertrauen. Aber Ross bestand darauf, dass ein MacDonell diese Aufgabe übernahm und weit entfernt vom Turm und seinen Kameraden wartete.
Nachdem die beiden Kontrahenten aus dem Sattel gestiegen waren, ging Ross zu Megan hinüber. „Halt dich da raus!“, fauchte er, während er sie vom Pferd hob. Sobald ihre Füße den Boden berührten, sank sie in sich zusammen und wäre gestürzt, hätte er sie nicht festgehalten. „Meg!“ Tiefe Sorge verdrängte seinen Ärger. „Dein Bein?“ Als sie nickte, nahm er sie auf die Arme.
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