Das Herz des Loewen
zusammenbrechen. Ross sprach in einiger Entfernung mit Owain, und sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht auf den jungen Burschen lenken, der mit Tante Britas Sutherlands ritt.
Sie legte ihre Wange auf den Pferdehals, um ein wenig auszuruhen, und schloss die Augen, die heftig schmerzten, nachdem sie das Dunkel angestrengt nach Comyn abgesucht hatte. Und nach Kieran. Tränen brannten hinter ihren Lidern. Er war so winzig, so verwundbar. Die Angst um den Kleinen half ihr, den Rücken zu straffen, als Ross den Männern wenig später befahl weiterzureiten, und gab ihren müden Gliedern neue Kraft.
Der Morgen begann zu grauen. Ross fühlte sich längst nicht so müde wie Megan, aber seine Sorge glich ihrer. In der Finsternis glaubte er, Kieran schreien zu hören, wusste aber, dass es nur die Stimme seines schuldbeladenen Gewissens war. Verdammt, hätte er Megans Verdacht gegen Comyn doch ernst genommen! Dann würde sein kleiner Neffe jetzt nicht in Lebensgefahr schweben.
Inzwischen war es taghell, und sie saßen nun seit acht Stunden im Sattel, als einer der Späher zur Truppe zurückgaloppierte und meldete, der Verfolgte sei gesichtet worden. „Und keinen Augenblick zu früh!“, rief der Sutherland-Hauptmann. „Ich schätze, wir sind nur mehr eine knappe Meile von Shurr More entfernt.“
„Vorwärts!“, schrie Ross. „Versucht sie einzukreisen und ihnen den Weg zum Turm abzuschneiden. “
Während sie einen Hügel umrundeten, sah er Comyn mit seinen Leuten über das Moor traben, hinter dem der nächste Hang anstieg. Auf einem hohen Felsen ragte der schwarze Turm von Shurr More empor. Uneinnehmbar.
Entschlossen spornte er Zeus an. Wenn Comyn in seiner Festung ankam, würden sie ihn monatelang nicht herauslocken können. Und nur der Teufel mochte wissen, was dieser Wahnsinnige mit Kieran vorhatte. Hinter sich vernahm Ross das Donnern der Hufe, als seine Männer ihm nachjagten.
Das hörte auch Comyns Gefolge. Einer der Söldner, die seine Nachhut bildeten, drehte sich um. „Vorsicht!“ Der Warnruf hallte von den Bergwänden wider und versetzte die Reiter an der Spitze des Trupps in wilden Galopp. Trotzdem erreichte Ross die rechte Flanke des Feindes. Der erste Mann, den er überholte, starrte ihn erschrocken an, dann griff er nach seinem Schwert. Zu spät. Schon stürzte er, von einem tödlichen Hieb getroffen, vom Pferd. Ungehindert sprengte Ross weiter.
Plötzlich raste er direkt neben Comyn dahin, der zu ihm herüberschaute. Die hellen Augen, die Ross über dem Schachbrett gutmütig herausgefordert hatten, verengten sich zornig.
Warum habe ich das Böse in diesem Mann nie gesehen, fragte sich Ross. Weil ich von der Schuld der Sutherlands überzeugt war. Weil Rhiannons Betrug mich blind für Megans untadeligen Charakter gemacht hatte. Und weil ich Comyn, einem Mann, bereitwilliger vertraut habe als allen Frauen.
Während er Zeus näher an Comyns Pferd heransteuerte, schwang er sein Schwert. Vielleicht konnte er die Entscheidung hier und jetzt erzwingen ... Doch diesen Gedanken verwarf er sofort. MacDonells Umhang wehte nach hinten und entblößte einen Sack, den er an seinem Hals festgebunden hatte. Und darin zeigte sich Kierans winziges Gesicht, rot und geschwollen vom Weinen. Bei jedem Schritt des Hengstes schlug der Sack gegen Comyns Brust, und Ross glaubte, die schmerzhaften Erschütterungen an seinem eigenen Körper zu spüren. „Bastard!“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ja, das ist er!“, schrie Comyn, „und als solcher wird er auch behandelt werden“, fügte er hinzu. Dann richtete er den Blick wieder nach vorn. Zweifellos schätzte er die Entfernung zu seinem Turm ab, zu seinem sicheren Hafen.
„Zur Hölle mit Euch ! “ Von Angst und Zorn getrieben, handelte Ross ohne nachzudenken, lenkte Zeus in Comyns Weg und entschuldigte sich flüsternd bei seinem treuen Streitross, bevor die beiden Pferde zusammenprallten. Schrill wieherten sie auf.
Kieran schrie wie am Spieß. Wegen des Sacks, der ihn behinderte, fiel es Comyn schwer, sein Schwert zu ziehen und zu kämpfen. Fluchend riss er an den Zügeln, um zu fliehen, aber Ross drängte Zeus wieder näher an das gegnerische Pferd heran.
Es gab nur zwei Möglichkeiten. Comyn musste anhalten, oder er würde stürzen und die Hufe würden ihn im Staub zertrampeln. Hinter ihm brach die Hölle los. Vergeblich versuchten seine Männer, ihre verschreckten Pferde unter Kontrolle zu bringen, und im nächsten Augenblick wurden
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